An der estnischen Grenze zu Russland treffen Vorbereitungen auf potentielle Bedrohungen aus dem Osten ein. Universitätsstudenten in Tartu sind bereits dabei, Tarnnetze für das Militär herzustellen, um Schutz vor den Risiken eines russischen Konflikts zu bieten. Eine mögliche Route für Putin, um direkt in das Baltikum einzumarschieren, wäre diese Landspitze, und die NATO hat bereits ihre Truppen in der Region verstärkt. Hier ist die aktuelle Situation:
Estland plant, seine Verteidigungsausgaben zu steigern, um sich gegen mögliche Aggressionen zu rüsten. Diese Maßnahmen sind jedoch nicht unumstritten, da sie zu einer Erhöhung der Steuern führen, die von der Bevölkerung zu spüren ist. Premierministerin Kaja Kallas, eine bekannte Kritikerin des russischen Präsidenten Wladimir Putin, geriet in eine Glaubwürdigkeitskrise aufgrund der Geschäfte ihres Mannes mit Russland. Dies wurde von vielen Esten als Doppelmoral angesehen, da Kallas immer wieder einen höheren "moralischen Kompass" von anderen Ländern und ihren Landsleuten in Bezug auf Russland gefordert hatte.
Trotz dieser Schwierigkeiten bleibt Estland entschlossen, sich auf mögliche Risiken vorzubereiten. Die Versorgungssicherheit des Landes ist gewährleistet, obwohl die defekte Gaspipeline Balticconnector für Besorgnis sorgt.
Das Land erhält seine Gaslieferungen über Lettland und die Speicher sind gut gefüllt. Obwohl in der estnischen Hauptstadt Tallinn niemand offen über russische Sabotage spricht, ist man sich der Bedrohung, die von Moskau ausgeht, bewusst. Die "Russland-Angst" ist allgegenwärtig und viele Esten glauben, dass ein möglicher russischer Gegenangriff in Estland beginnen würde. Dennoch sind sie zuversichtlich, dass sie sich gegen eine solche Bedrohung wehren können. Estland erhält auch Unterstützung aus dem Ausland, vor allem von der NATO, die 2000 Soldaten in Estland stationiert hat. Dies ist eine bedeutende Verstärkung im Vergleich zum Vorjahr und ein Zeichen dafür, wie ernst die Situation eingeschätzt wird.
An der russischen Grenze, in der Stadt Narva, überwachen zusätzlich sechs Soldaten der europäischen Grenzschutzagentur Frontex den Übergang zwischen Estland und Russland. Die "Brücke der Freundschaft" trennt heute Narva von Iwangorod, Europa von Russland und Freund von Feind. Fast 90% der Einwohner von Narva sind russischsprachige ethnische Russen und die Stadt hat einen starken russischen Einfluss, der bis in die Sowjetzeit zurückreicht. Bei den Parlamentswahlen erhielten prorussische Kandidaten hier fast die Hälfte der Stimmen.
Obwohl Narva Teil Europas ist, hat der russische Krieg gegen die Ukraine die Stadt verändert. Viele russischsprachige ethnische Russen hadern mit ihrer Identität. Aufgrund der Annexion der Krim hat Narva in die Sicherung der Grenzen investiert und Schutzmaßnahmen an der "Brücke der Freundschaft" und anderen Orten getroffen. Es besteht die Befürchtung, dass Narva im Falle eines möglichen Einmarschs Moskaus das nächste Mariupol werden könnte. Trotzdem zieht die Stadt weiterhin viele Besucher an, die sich vergewissern wollen, dass die Grenze noch sicher ist. Narva wird nicht nur als Grenzstadt zwischen Europa und Russland gesehen, sondern auch als eine Grenze zwischen Gut und Böse in einem immer instabiler werdenden geopolitischen Umfeld.