Die russische Polizei ist erneut hart gegen regierungskritische Demonstranten vorgegangen. Landesweit wurden am Sonntag mehr als 4800 Teilnehmer von Demos für die Freilassung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny festgenommen. Trotz Verboten und Warnungen der Regierung gingen im ganzen Land am zweiten Wochenende in folge zahlreiche Menschen auf die Straße. Die EU und die USA kritisierten die Massenfestnahmen und das harte Vorgehen gegen friedliche Demonstraten.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell beklagte Massenverhaftungen und die "unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt" gegenüber Demonstranten und Journalisten. Die Menschen müssten in der Lage sein, ohne Angst vor Unterdrückung zu demonstrieren, schrieb er und forderte Russland auf, seine internationalen Verpflichtungen einzuhalten.
Landesweit kritisierten die Demonstranten unter anderem das Vorgehen der Behörden gegen Nawalny und forderten dessen Freilassung. In Moskau marschierten Demonstranten mit Rufen wie "Freiheit!" und "Putin ist ein Dieb!" durch die Stadt. Mehrere hundert Menschen versammelten sich vor dem berüchtigten Gefängnis "Matrosenruhe", wo Nawalny festgehalten wird. Dutzende von ihnen wurden festgenommen. "Es ist schon fast peinlich, dass der Staat so viel Angst vor uns hat", sagte die 31-jährige Elisaweta Dementjewa bei der Demo in Moskau.
Laut der Beobachtungsstelle OWD-Info nahmen die Sicherheitskräfte allein in Moskau 1365 Menschen fest, landesweit gab es demnach mindestens 4.818 Festnahmen. Wie Nawalnys Team berichtete, wurde auch dessen Frau Julia festgenommen. Landesweit seien zudem mindestens 82 Journalisten festgenommen worden.
In Nowosibirsk, der drittgrößten Stadt Russlands, gingen nach Berichten des unabhängigen Portals "Taiga" trotz eisiger Temperaturen von minus 20 Grad mehr als 5000 Menschen auf die Straße. Es habe sich um eine der größten Anti-Regierungs-Proteste der vergangenen Jahre gehandelt. Der Verband russischer Journalisten meldete die Festnahme von landesweit mindestens 60 Journalisten.
Am frühen Abend gab das Team von Nawalny das Ende der Proteste in Moskau bekannt. "Wir haben ihnen gezeigt, wie viele wir sind", schrieben Nawalnys Mitarbeiter im Messenger-Dienst Telegram und riefen die Anhänger des Kreml-Kritikers auf, Nawalny am Dienstag bei dessen Anhörung vor Gericht zu unterstützen.
Schon eine Woche zuvor waren zehntausende Menschen in mehr als hundert Städten auf die Straße gegangen. Die Sicherheitskräfte gingen teilweise brutal gegen die Protestierenden vor, mehr als 4000 Menschen wurden festgenommen. Zuvor hatte ein Enthüllungsbericht Nawalnys über einen angeblichen Luxus-Palast von Putin an der Schwarzmeerküste die Stimmung für Empörung gesorgt.
Nawalny war direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland Mitte Januar in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. In Berlin war der Putin-Kritiker nach einem Giftanschlag behandelt worden, für den er den Kreml verantwortlich macht.
Bei der Gerichtsanhörung am Dienstag droht Nawalny die Umwandlung einer Bewährungsstrafe von 2014 in eine Haftstrafe und damit nach Angaben seines Anwalts rund zweieinhalb Jahre Gefängnis.
by Von Thibaut MARCHAND