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Rumäniens Regierungschef Orban tritt nach schwachem Wahlergebnis zurück

Präsident Iohannis will Orbans Partei dennoch Auftrag zur Regierungsbildung geben

Rumäniens Ministerpräsident Ludovic Orban hat nach der Niederlage seiner Partei bei der Parlamentswahl seinen Rücktritt erklärt. Nachdem seine liberale PNL nur auf Platz zwei hinter den Sozialdemokraten gelandet sei, habe er beschlossen, seinen Rücktritt einzureichen, sagte Orban am Montag in einer im Fernsehen übertragenen Erklärung. Die pro-europäische Regierungspartei PNL könnte dennoch an der Macht bleiben, wenn sie eine Koalition mit kleineren Parteien bildet. Präsident Klaus Iohannis signalisierte, dass er der PNL den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wolle.

"Meine Entscheidung sollte deutlich machen, dass ich mich nicht an irgendeine Position klammere", sagte Orban. "Für mich kommt das nationale Interesse vor jenem der Partei und meinem persönlichen."

Die PNL war bei der Wahl am Sonntag auf rund 25,5 Prozent der Stimmen gekommen. Stärkste Kraft wurde mit rund 30 Prozent die oppositionelle Sozialdemokratische Partei (PSD).

Trotz des Siegs der PSD könnte die PNL aber weiterregieren. Möglich wäre eine Koalition mit dem erst kürzlich entstandenen Mitte-Rechts-Bündnis USR-Plus, das 15,5 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen konnte sowie mit der Partei der ungarischen Minderheit, UDMR, die auf rund sechs Prozent der Stimmen kam.

Präsident Klaus Iohannis sagte in einer vom Fernsehen übertragenen Erklärung, es sei klar, dass das Mitte-Rechts-Lager mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen bekommen habe. Deshalb würden die erstplatzierten Sozialdemokraten "außerhalb des politischen Entscheidungsprozesses" bleiben. Erwartet wurde, dass er einen der Minister aus Orbans Kabinett mit der Regierungsbildung beauftragen würde.

PSD-Chef Marcel Ciolacu hatte unmittelbar nach Bekanntgabe der vorläufigen Wahlergebnisse Orbans Rücktritt gefordert. Die rumänischen Sozialdemokraten stehen in der Tradition der kommunistischen Partei und hatten das osteuropäische Land 30 Jahre lang dominiert.

Iohannis, der im Wahlkampf offen die PNL unterstützt hatte, hatte wenige Tage vor der Wahl vor einer Rückkehr der PSD an die Macht gewarnt. Er hoffe, dass "Rumänien sich endgültig von jenen trennen wird, die versucht haben, es von seinem europäischen und demokratischen Kurs abzubringen", erklärte der Staatschef.

Die letzte von der PSD geführte Regierung war in eine Reihe an Korruptionsskandalen verwickelt gewesen, in deren Folge es in Rumänien zu Massenprotesten und im Herbst 2019 schließlich zu einem Misstrauensvotum kam, das zum Sturz des inzwischen inhaftierten PSD-Regierungschefs Liviu Dragnea führte. Dragneas Amtszeit war auch von Konflikten mit der EU wegen der PSD-Pläne für eine umstrittene Justizreform geprägt gewesen.

Orban hatte seit einem Jahr eine Minderheitsregierung angeführt und im Wahlkampf eine Modernisierung des Landes und eine Fortsetzung seines pro-europäischen Kurses versprochen. Rumänien gehört zu den ärmsten Ländern in der EU. In den vergangenen Jahren waren vier Millionen Rumänen auf der Suche nach einem besseren Leben ins Ausland gegangen. Viele von ihnen arbeiten in Westeuropa.

Eine breite Mobilisierung der Wählerschaft war aber nicht gelungen. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei nur rund 33 Prozent - und damit so niedrig wie noch nie bei einer Parlamentswahl. Dies lag an einer weit verbreiteten Politikverdrossenheit, aber auch an den derzeit stark steigenden Corona-Infektionszahlen. Die Opposition hatte das Krisenmanagement der Regierung in der Corona-Krise im Wahlkampf scharf kritisiert.

Außergewöhnlich hoch lag die Wahlbeteiligung dagegen bei den im Ausland lebenden Rumänen: 260.000 von ihnen beteiligten sich an der Abstimmung - doppelt so viele wie noch vor vier Jahren. Die meisten der Auslands-Rumänen gaben ihre Stimme für die PNL sowie die neugegründete USR-Plus ab, von der sich viele Wähler weitreichende Reformanstöße erhofften.

by Daniel MIHAILESCU