In Brüssel zeichnen sich komplizierte Gespräche über die finanzielle Ausstattung des EU-Gemeinschaftshaushalts ab. Länder wie Slowenien, Bulgarien und Estland forderten am Freitag wie die EU-Kommission, den mehrjährigen Finanzrahmen aufzustocken. Deutschland, Schweden oder auch die Niederlande wollen hingegen lediglich bereits zugesagte Mittel umverteilen.
Estland etwa betonte die Notwendigkeit höherer Militärausgaben. "Wir haben den Krieg (in der Ukraine) nicht vorhergesehen, und jetzt sind wir in der Situation, dass wir tatsächlich mehr in die Verteidigung investieren müssen", sagte Estlands Regierungschefin Kaja. Sie sei beunruhigt, denn im Kreis der Staats- und Regierungschefs habe sie nicht den Eindruck gehabt, dass dies allgemein so gesehen werde.
Mehr Geld soll es auch für die Ukraine geben. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Ende Juni eine "Reserve" für das Land in Höhe von 50 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre vorgeschlagen. Davon sind 17 Milliarden Euro als direkte Zuschüsse aus dem EU-Haushalt vorgesehen sowie weitere 33 Milliarden als Kredite.
Dafür müssten die Mitgliedsländer den bis 2027 geltenden Budget-Finanzrahmen nach Darstellung der Kommissionschefin massiv aufstocken. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte im Juli zwar grundsätzlich Zustimmung für künftige Ukraine-Hilfen der EU signalisiert. "Grundlegende Veränderungen" am mehrjährigen Finanzrahmen halte er aber "politisch für nicht realistisch".
Slowenien und andere Länder fordern zudem mehr Geld, um mit den hohen Zahlen ankommender Migranten umzugehen. Der slowenische Regierungschef Robert Golob nannte noch das Naturkatastrophenmanagement, Unterstützung für den Westbalkan und Wirtschaftshilfen für Unternehmen als Prioritäten. Auch der Bulgare Nikolaj Denkow forderte "zusätzliche Mittel" statt einer Umverteilung. Die Mittel aus der Kohäsionspolitik oder für die Landwirtschaft sollten nicht "beeinträchtigt" werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Donnerstag gesagt, die Möglichkeiten zur "Umpriorisierung von Ausgabeprogrammen aus dem europäischen Haushalt" seien noch nicht erschöpft. Ähnlich äußerte sich der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Diplomaten zufolge gehen etwa auch in Schweden und Dänemark die Meinungen in diese Richtung.
Eine Entscheidung dazu wurde beim laufenden EU-Gipfeltreffen nicht erwartet. Aus Diplomatenkreisen hieß es, dass das Thema zu langen und zähen Verhandlungen beim nächsten Treffen der 27 im Dezember führen dürfte.
Für Streit könnten auch noch die massiven Staatshilfen Deutschlands für die Wirtschaft sorgen. Die Estin Kallas forderte, "die Regeln für staatliche Beihilfen abzuschaffen, denn am Ende werden selbst den reichen Ländern die Steuergelder ausgehen, um ihre Unternehmen zu subventionieren". Scholz will sich hingegen dafür einsetzen, die gelockerten Beihilfevorgaben der EU bis 2027 beizubehalten.
pe/lob/ju