Nach ihrer Rettung auf dem Mittelmeer haben mehr als 230 Flüchtlinge an Bord eines Schiffs der Hilfsorganisation SOS Méditerranée Sizilien erreicht. Die Menschen, die Hälfte davon unbegleitete Minderjährige, gingen am Samstag im Hafen von Augusta an Land. Derweil rettete die deutsche Hilfsorganisation Sea-Watch nach eigenen Angaben innerhalb von zwei Tagen mehr als 400 Menschen von Flüchtlingsbooten auf dem Mittelmeer.
Die insgesamt 236 Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffs von SOS Méditeranée waren am Dienstag aus zwei überfüllten Schlauchbooten im zentralen Mittelmeer gerettet worden. Die Besatzung der "Ocean Viking" hatte die Flüchtlinge am Dienstag im Mittelmeer retten können. Fünf Tage zuvor hatte das Rettungsschiff vor Libyen stundenlang bei schlechtem Wetter nach einem sinkenden Boot mit 130 Flüchtlingen an Bord gesucht, zu dem es einen Notruf gegeben hatte. Schließlich fand die Besatzung nur noch ein zerborstenes Schlauchboot und zahlreiche im Wasser treibende Tote.
"Die Überlebenden, die wir heute an Land bringen können, sind erleichtert, endlich an einen sicheren Ort zu kommen", erklärte die Geschäftsführerin von SOS Méditerranée Deutschland, Verena Papke, kurz vor der Ankunft in Augusta. "Doch bei den Retterinnen und Rettern hinterlässt das dramatische Erlebnis des Schiffbruchs mit 130 Toten in der vergangenen Woche Trauer und Bitterkeit."
Die "Ocean Viking"-Besatzungsmitglieder hätten "das dringende Bedürfnis, Europas Öffentlichkeit über die schockierende Realität, die sie im Mittelmeer erlebt haben, aufzuklären", erklärte Papke. Schuld an der Lage sei die "EU-Abschottungspolitik".
"In Libyen internierte, gefolterte und ausgebeutete Menschen haben keine andere Wahl, als die gefährliche Flucht über das Mittelmeer zu riskieren", hob Papke hervor. Diese Zustände in Libyen seien "den politisch Verantwortlichen in der EU wohlbekannt". Dennoch entschieden sie sich bewusst dafür, nicht selbst zu retten, sondern dafür Libyens Küstenwache zu finanzieren. Auf diese Weise halte die EU "den Kreislauf der Gewalt und Menschenrechtsverletzungen aufrecht".
Papke kritisierte, dass sich die Seebehörden in Libyen und den EU-Mittelmeerländern Italien und Malta zugleich weigerten, die Einsätze von zivilen Rettungsschiffen wie der "Ocean Viking" zu koordinieren und sie mit Informationen zu versorgen. Dies sei "zutiefst menschenverachtend".
Die deutsche Organisation Sea-Watch rettete derweil nach eigenen Angaben binnen zwei Tagen mehr als 400 Menschen von vier Booten auf dem Mittelmeer. Zuletzt nahm sie am Samstag 97 Menschen von einem Holzboot auf, das bereits seit drei Tagen auf dem Wasser war. Nun werde dringend ein sicherer Hafen für die Menschen an Bord der "Sea Watch 4" gesucht, berichtete die Organisation auf Twitter.
Nach offiziellen Zahlen starben im vergangenen Jahr mehr als 1200 Menschen bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.
by NICOLAS TUCAT