Nach vergeblichem Warten auf einen sicheren Hafen hat das deutsche Seenot-Rettungsschiff "Alan Kurdi" mit 125 Flüchtlingen an Bord Kurs auf Frankreich genommen. Das Schiff sei auf dem Weg nach Marseille, weil kein europäisches Land sich für zuständig erklärt habe, teilte die deutsche Hilfsorganisation Sea-Eye am Mittwoch mit. Die südfranzösische Hafenstadt erklärte sich "ohne Bedingungen" bereit, die Menschen aufzunehmen.
Die Helfer hatten am Samstag insgesamt 133 Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Die italienische Küstenwache brachte nach Angaben der Organisation am Dienstagmorgen zwei Frauen, einen Mann und fünf Kinder an Land.
Danach lehnte Sea-Eye zufolge die Rettungsleitstelle von Malta die Anfrage nach einem Hafen ab. Die italienische Rettungsleitstelle habe auf die deutsche Leitstelle verwiesen, von dort sei die Bitte an das Bundesverkehrsministerium und das Auswärtige Amt weitergeleitet worden - jedoch ohne Antwort geblieben.
Rettungsleiter Jan Ribbeck kritisierte das Verhalten der Behörden: "Die gemeinsame Pflicht zur Koordination von Seenotfällen endet nicht in Stillschweigen und Untätigkeit der Behörden. Sie gilt so lange weiter, bis die Rettungsoperation mit der Verbringung der geretteten Menschen in einen sicheren Hafen abgeschlossen ist."
Die Stadtverwaltung von Marseille erklärte, sie lasse "niemanden im Mittelmeer ertrinken". Allerdings obliegt die Entscheidung über die Aufnahme der französischen Regierung, deren Zustimmung aussteht. In Marseille soll auch die Besatzung der "Alan Kurdi" ausgetauscht werden.
In diesem Jahr hat die Zahl der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer deutlich zugenommen. Die Menschen versuchen überwiegend von Libyen und Tunesien aus, in die EU zu kommen. Allein aus Libyen gab es zwischen Januar und Juli gut 90 Prozent mehr versuchte Überfahrten als im ersten Halbjahr 2019.
Die Überquerung gilt als eine der gefährlichsten der Welt. Im vergangenen Jahr ertranken nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) 1283 Menschen im Mittelmeer. In den vergangenen fünf Jahren gab es insgesamt mehr als 19.000 Tote.
by Nick Jaussi, Handout