Die regierende Links-Rechts-Koalition hat bei der Parlamentswahl in Island ihre Mehrheit verteidigt. Nach Auszählung aller Stimmen kamen die drei Parteien zusammen auf 37 der 63 Sitze im Parlament. Ob es jedoch zu einer Neuauflage des Bündnisses kommt, ist unklar. Die beiden konservativen Koalitionspartner könnten versuchen, eine Regierung ohne die Linksgrünen von Ministerpräsidentin Katrin Jakobsdottir zu bilden.
Dem Parlament in Reykjavik gehören nach der Wahl erstmals mehr Frauen als Männer an - eine Premiere in Europa. Stärkste Kraft wurde mit 24,4 Prozent und 16 Sitzen die konservative Unabhängigkeitspartei. Parteichef Bjarni Benediktsson, Finanzminister der bisherigen Regierung und ehemaliger Ministerpräsident, hofft, Jakobsdottir als Regierungschef abzulösen.
Die Linksgrünen kamen nur noch auf 12,6 Prozent und verloren drei Sitze. Jakobsdottir sagte, es werde wohl "kompliziert", eine neue Regierung zu bilden.
Die Linksgrünen wurden von der Fortschrittspartei, die Mitte-Rechts-Positionen vertritt, auf den dritten Platz verdrängt: Auf sie entfielen 17,3 Prozent und damit 13 Mandate. Die Fortschrittspartei sei "zurück in der ersten Reihe" der Politik, erklärte Parteichef Sigurdur Ingi Johannsson.
Vor der Wahl hatten die drei Koalitionspartner zwar erklärt, im Fall einer erneuten Mehrheit Koalitionsgespräche führen zu wollen. Nach vier Jahren voller gegenseitiger Zugeständnisse zur Wahrung des Koalitionsfriedens könnten die beiden konservativen Parteien jedoch versuchen, ein Bündnis ohne die Linksgrünen zu schmieden und sich mit einer von mehreren kleineren Mitte-Rechts-Parteien zusammenzuschließen.
Erstmals gehören dem isländischen Parlament Althing künftig mehr Frauen als Männer an. 33 der 63 Sitze entfallen auf weibliche Abgeordnete - dies entspricht 52 Prozent. In keinem anderen europäischen Land liegt der Frauenanteil im Parlament über 50 Prozent.
"Ich bin 85 Jahre alt und habe mein ganzes Leben lang darauf gewartet, dass Frauen in der Mehrheit sind. Ich bin wirklich sehr glücklich", sagte die Reykjavikerin Erdna.
Der Inselstaat ist seit langem ein Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung und Frauenrechte. Seit zwölf Jahren führt Island die Rangliste des Weltwirtschaftsforums der Länder mit der größten Gleichberechtigung an.
In den vergangenen Jahren war der Inselstaat aber auch von politischen Skandalen und Instabilität geprägt. 2008 wurde das Land von der Finanzkrise schwer getroffen: Die isländische Währung stürzte ab, die Inflation schoss in die Höhe.
Die "Kochtopfrevolution", bei der tausende Demonstranten vor dem Parlament auf Töpfe und Pfannen einschlugen, führte 2009 zum Rücktritt der Regierung. Mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF) gelang es Island schließlich, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen - vor allem dank des Tourismus.
2016 erschütterte erneut ein Skandal die isländische Politik. Durch die Veröffentlichung der "Panama Papers" wurde bekannt, dass 600 Isländer in dubiose Steuerpraktiken verwickelt waren - darunter auch der damalige Regierungschef Benediktsson.
Insgesamt wurden infolge der diversen Skandale zwischen 2007 und 2017 fünf Wahlen abgehalten. Jakobsdottirs Regierung war erst die zweite seit 2008, die bis zum Ende ihrer vierjährigen Amtszeit durchhielt.
Die Ministerpräsidentin ist in der Bevölkerung sehr beliebt. Während ihrer Amtszeit führte sie ein fortschrittliches Einkommensteuersystem ein, erhöhte das Budget für den sozialen Wohnungsbau und verlängerte die Elternzeit.
Im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung werde sich ihre Partei auf die "enormen Herausforderungen konzentrieren, vor denen wir stehen, um die Wirtschaft grüner und nachhaltiger zu gestalten", kündigte Jakobsdottir am Samstag an.
by Von Jeremie RICHARD