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Regierungspartei und Opposition in Georgien reklamieren Wahlsieg für sich

Nachwahlbefragungen widersprüchlich

Nach der Parlamentswahl in Georgien haben sowohl die Regierungspartei als auch die Opposition den Sieg für sich reklamiert. Der Chef der Regierungspartei Georgischer Traum, der Milliardär Bidsina Iwanischwili, sagte am Samstag, seine Partei habe "die Wahlen zum dritten Mal in Folge gewonnen". Der Oppositionsführer und Ex-Präsident Michail Saakaschwili erklärte, die Oppositionsparteien hätten einen "triumphalen Sieg eingefahren".

Nachwahlbefragungen ergaben widersprüchliche Ergebnisse: Der regierungsnahe Fernsehsender Imedi meldete, der Georgische Traum liege mit 55 Prozent vorn, während der oppositionsnahe Fernsehsender Mtawari berichtete, die Opposition liege mit 52 Prozent in Führung.

Der im ukrainischen Exil lebende Saakaschwili sagte im Fernsehen, die Oppositionsparteien müssten "nun eine Regierung der nationalen Einheit bilden". Die meisten Oppositionsgruppen hatten sich für die Abstimmung zusammengeschlossen, um die Regierungspartei abzulösen. Die seit 2012 regierende Partei Georgischer Traum ist angesichts von wirtschaftlichen Problemen und Korruptionsvorwürfen zunehmend unbeliebt.

Angeführt wird die Opposition von der Partei Vereinigte Nationale Bewegung (UNM) von Ex-Präsident Saakaschwili. Am Donnerstag hatten sich in der Hauptstadt Tiflis zehntausende Anhänger Saakaschwilis versammelt. "Georgien ist aufgewacht", sagte der Ex-Präsident in einer Videobotschaft.

Der 52-jährige Saakaschwili war 2013 aus der Kaukasus-Republik geflüchtet, um einer möglichen Gefängnisstrafe wegen Machtmissbrauchs zu entgehen. Ein Wahlsieg der Opposition könnte seine Rückkehr ermöglichen.

Saakaschwili und Iwanischwili, der reichste Mann des Landes, dominieren seit Jahrzehnten die Politik Georgiens. Kritiker werfen Iwanischwili vor, die Korruption im Land zu begünstigen und Oppositionelle unter Druck zu setzen. "Ein Oligarch, der etwa 40 Prozent des georgischen Vermögens besitzt, hat sich das Land angeeignet", sagte Saakaschwili der Nachrichtenagentur AFP in einem Interview.

Saakaschwili war selbst von 2004 bis 2013 Präsident Georgiens. In dieser Zeit setzte er tiefgreifende Wirtschaftsreformen durch, Kritiker warfen jedoch auch ihm zunehmend autokratische Züge vor.

Sowohl die Regierung als auch die Opposition hatten sich vor der Abstimmung siegessicher gezeigt, Experten zufolge ist der Wahlausgang jedoch ungewiss. Da Georgien ein sehr komplexes Wahlsystem hat, könnte die genaue Zusammensetzung des neuen Parlaments erst Ende November feststehen.

Beobachtet wurde der Urnengang von Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). In dem Kaukasus-Land mit seinen vier Millionen Einwohnern kam es nach Wahlen immer wieder zu heftigen Protesten. Nur einmal - 2012 - gelang ein geordneter Machtwechsel.

by Vano SHLAMOV