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Regierungspartei nach Teilauszählung bei russischen Parlamentswahlen deutlich vorn

Urnengang von massiven Betrugsvorwürfen überschattet

Die Regierungspartei von Präsident Wladimir Putin steuert bei den von massiven Betrugsvorwürfen begleiteten Parlamentswahlen in Russland auf einen deutlichen Wahlsieg zu. Die Kreml-Partei Geeintes Russland komme nach Auszählung von 33 Prozent der Stimmen auf 45,3 Prozent und liege damit klar vor den Kommunisten, teilte die Wahlkommission am Sonntagabend in Moskau mit. Die wichtigsten Putin-Kritiker waren zu dem Urnengang nicht zugelassen.

Die Kommunisten als Zweitplatzierte kommen nach der Teilauszählung auf 21,8 Prozent der Stimmen. Alle anderen Parteien waren weit abgeschlagen. Der Generalsekretär von Geeintes Russland, Andrej Turtschak, sprach auf einer Veranstaltung in der Parteizentrale von einem "sauberen und ehrlichen Sieg".

Verbündete des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny erklärten hingegen, die Wahl sei massiv gefälscht worden. Sie verwiesen insbesondere auf wiederholte Verzögerungen bei der Freigabe der elektronischen Abstimmungsergebnisse in Moskau. "Wir haben an ihrem politischen System gerüttelt. Wir haben sie gezwungen, entweder ihre Niederlage einzugestehen oder zu fälschen, und zwar vor aller Augen, absolut dreist und ohne jede Scham", sagte der im Exil lebende Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow auf einer Live-Übertragung bei Youtube.

In den vergangenen Monaten waren die russischen Behörden massiv gegen die Opposition vorgegangen, viele Regierungsgegner sitzen hinter Gittern oder sind ins Ausland geflohen. Nur sehr wenige dezidiert Putin-kritische Kandidaten wurden zur Wahl zugelassen. Der Sieg von Geeintes Russland stand angesichts der Repressionen gegen die Opposition de facto bereits vor dem Urnengang fest.

Die dreitägige Wahl war von massiven Manipulationsvorwürfen überschattet worden. Die Wahlbeobachtungsorganisation Golos erklärte, bei ihr seien bis Sonntagabend mehr als 4800 Berichte über Wahlbetrug eingegangen. Außerdem blockierten die US-Internetriesen Apple und Google unter dem Druck der russischen Behörden den gesamten Urnengang hindurch die Online-Wahlempfehlungen der Opposition.

Die staatliche Wahlkommission widersprach den Manipulationsangaben der Organisation Golos, die von den russischen Behörden vor der Wahl als "ausländischer Agent" eingestuft worden war. Bei ihrer Kommission seien 137 Berichte über "Nötigung" bei der Stimmabgabe eingegangen, erklärte Kommissionschefin Ella Pamfilowa. Außerdem seien in acht Fällen Wahlurnen mit gefälschten Stimmzetteln befüllt worden.

Pamfilowa gab zudem an, gegen die Website der Wahlkommission seien "gewaltige" Cyberattacken verübt worden. Diese seien zumeist aus den USA und Deutschland gekommen.

Bei der Wahl wurde über die 450 Sitze in der Duma sowie über lokale und regionale Volksvertretungen entschieden. Rund 108 Millionen Menschen waren wahlberechtigt.

Neben Geeintes Russland traten 13 weitere Parteien an, die allerdings von den wichtigsten Regierungskritikern als Opposition von Putins Gnaden kritisiert werden. Gegen die von Nawalny und seinen Anhängern entwickelte Strategie des "Smart Voting", also der Stimmabgabe für den jeweils aussichtsreichsten Oppositionskandidaten, gingen die russischen Behörden unerbittlich vor.

Google und Apple entfernten am Freitag die "Smart Voting"-App der Opposition aus ihren App-Stores. Damit konnte die Anwendung, die Wahlempfehlungen für Oppositionsbündnisse gegen die Regierungspartei erstellt, nicht mehr ohne Weiteres auf Android- und Apple-Smartphones installiert werden.

Apple und Google begründeten ihr Vorgehen mit "beispiellosem" Druck aus Moskau. Aus informierten Kreisen beider Unternehmen hieß es, die russische Regierung habe mit der Festnahme von örtlichen Mitarbeitern gedroht.

Über Telegram konnten Nutzer zunächst weiterhin über einen Bot die Empfehlungen der "Smart Voting"-App empfangen. Unternehmensgründer Pawel Durow erklärte aber am Samstag, der Bot sei deaktiviert worden, weil ansonsten die Telegram-App wie auch die "Smart Voting"-App aus den App Stores gelöscht worden wäre.

by Von Michael MAINVILLE