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Regierungspartei gewinnt Parlamentswahl in Russland erwartungsgemäß

Scharfe Kritik am Wahlablauf von Opposition und aus dem Ausland

Bei der von Betrugsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl in Russland hat die Regierungspartei von Präsident Wladimir Putin nach Angaben der Behörden erwartungsgemäß den Sieg davongetragen. Die Partei teilte am Montag überdies mit, sie habe auch die für Verfassungsänderungen wichtige Zweidrittel-Mehrheit verteidigt. Heftige Kritik am Ablauf der Wahl kam von der Opposition sowie aus Brüssel, Berlin und Washington.

Der Generalsekretär von Geeintes Russland, Andrej Turtschak, sagte, seine Partei habe mehr als 300 der 450 Sitze gewonnen. Nach Auszählung fast aller Stimmen kam die Kreml-Partei nach Angaben der Wahlbehörden auf 49,8 Prozent. Das war weniger als bei der Wahl 2016, bei der Geeintes Russland noch 54,2 Prozent der Stimmen und inklusive der Direktmandate 334 Sitze im Parlament auf sich vereinen konnte.

Die Kommunisten als Zweitplatzierte kamen demnach auf 18,9 Prozent, 2016 waren es noch 13,3 Prozent. Viele Russen hatten die Partei dieses Jahr aus Protest gewählt.

Drei weitere als regierungsnah geltende Parteien schafften laut den vorläufigen Ergebnissen die Fünf-Prozent-Hürde für den Einzug in die Duma: die nationalistische LDPR, die kürzlich gegründete Partei "Neues Volk" und "Gerechtes Russland".

Die Beteiligung an der dreitägigen Abstimmung lag nach Angaben der Wahlkommission bei 51 Prozent. Dies sei höher als bei früheren Wahlen, zudem habe es weniger Beschwerden über Wahlverstöße als jemals zuvor gegeben, sagte Kommissionschefin Ella Pamfilowa bei einem im Fernsehen übertragen Treffen mit Putin. Dieser sagte, er wolle "besondere Worte der Dankbarkeit aussprechen". "Danke für euer Vertrauen, liebe Freunde", sagte Putin.

Turtschak sprach von einem "klaren und sauberen" Sieg. Er verwies darauf, dass seine Partei auch in den 39 Regionen, in denen Regionalparlamente gewählt wurden, gewonnen habe. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bekräftigte den "Wettbewerb, die Offenheit und die Ehrlichkeit der Wahlen".

Selbst staatliche Umfrageinstitute hatten Putins Partei vor der Wahl nur bei rund 30 Prozent gesehen. Die vorläufigen Wahlergebnisse seien "wirklich nicht glaubhaft", sagte die Sprecherin des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, Kira Jarmysch. Sie fühle sich an die Wahl 2011 erinnert, als Putin die Wahl "gestohlen" habe. "Dasselbe passiert derzeit", sagte Jarmysch.

Kritik kam auch aus Brüssel, Berlin, Washington und London. Ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell warf Moskau "eine Atmosphäre der Einschüchterung aller kritischen, unabhängigen Stimmen" vor. Er kritisierte auch, dass es bei der Wahl keine internationalen Wahlbeobachter gab.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, sagte, es gebe "sehr ernstzunehmende Hinweise von russischen Oppositionspolitikern und auch von Wahlbeobachtern" auf "massive Unregelmäßigkeiten". Die USA erklärten, die Russen seien bei der Wahl "daran gehindert worden, ihre Bürgerrechte auszuüben".

Die britische Regierung sprach von einem "ernsthaften Rückschritt für die demokratischen Freiheiten" in Russland. Durch das Vorgehen der russischen Behörden gegen die Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und oppositionelle Politiker sei die politische Vielfalt untergraben worden, erklärte das Außenministerium in London.

Die russische Opposition verwies insbesondere auf wiederholte Verzögerungen bei der Freigabe der elektronischen Abstimmungsergebnisse in Moskau. Die Wahlbeobachtungsorganisation Golos erklärte zudem, bei ihr seien bis Sonntagabend mehr als 4900 Berichte über Wahlbetrug eingegangen. Die staatliche Wahlkommission widersprach den Manipulationsangaben der Organisation, die von den russischen Behörden vor der Wahl als "ausländischer Agent" eingestuft worden war.

Nach der Wahl 2011 hatte es massive Proteste in Moskau gegeben. Nawalny war damals einer der Anführer. Mittlerweile sitzt der Kreml-Kritiker in Lagerhaft, zahlreiche Vertraute leben im Ausland oder stehen unter Arrest.

Die Behörden haben von ihm gegründete Organisationen als "extremistisch" eingestuft und gehen scharf gegen sie vor. Unter anderem setzten sie die US-Konzerne Apple und Google unter Druck, die in der Folge eine Wahlempfehlungs-App der Opposition blockierten.

Der im Exil lebende Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow sagte nach der Parlamentswahl, diese sei "schmutziger und schlimmer" verlaufen als 2011. Zwar rief er nicht zu unmittelbaren Protesten auf, Nawalnys Team werde aber "jeglichen friedlichen Protest" unterstützen.

by Von Michael MAINVILLE