Vor dem nächsten Corona-Krisengipfel mahnt die Politik die Bürger zu Geduld. Wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderten auch mehrere Ministerpräsidenten in ihren Neujahrsansprachen die Menschen trotz der Hoffnungen durch den Impfstart zum Durchhalten auf. Vor den Bund-Länder-Gesprächen am Dienstag zeichnete sich ab, dass die Bevölkerung weiter mit erheblichen Beschränkungen rechnen muss. Die Mainzer Firma Biontech arbeitet derweil mit Hochdruck an der Ausweitung der Impfstoff-Produktion.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hob in seiner Neujahrsansprache die nach wie vor ernste Lage in der Corona-Pandemie hervor: "Wir erleben gerade die zweite Welle, manche prophezeien sogar schon eine dritte Welle." Nachrichten über mutierte Corona-Viren machten große Sorgen. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) mahnte: "Wir alle haben noch eine Durststrecke vor uns. Wir werden noch einige Monate durchhalten müssen." Die Regierungschefs verwiesen aber auch auf die mit dem Start der Corona-Impfungen verbundenen Hoffnungen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in ihrer an Silvester ausgestrahlten Rede zum Durchhalten aufgerufen. "Es sind schwere Zeiten für unser Land - und so wird es auch noch eine ganze Weile bleiben." Sie betonte aber zugleich: "Seit wenigen Tagen hat die Hoffnung Gesichter: Es sind die Gesichter der ersten Geimpften."
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) plädierte für "ausgewogene Entscheidungen" beim Corona-Krisengipfel. Er mahnte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung", bei den Corona-Maßnahmen "bleibt es zentral, dass die Exekutive die Verantwortung des Einzelnen fest im Blick hält und auf so viel Freiheit wie möglich setzt". Es sei "schier unmöglich, per Gesetz jeden Corona-Todesfall zu verhindern".
In Deutschland gilt noch bis zum 10. Januar ein strenger Lockdown. Am Dienstag wollen die Länderchefs mit Bundeskanzlerin Merkel darüber beraten, ob die Corona-Schutzmaßnahmen verlängert werden sollen.
Vor dem Krisengipfel warnte der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, vor erneuten, längeren Schulschließungen. Die Schulen müssten "so schnell wie möglich wieder geöffnet werden", sagte Merz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Von der Runde der Regierungschefs wünsche er sich ein möglichst einheitliches Vorgehen. Am meisten belaste ihn "nicht der ökonomische Schaden durch den Lockdown, sondern der massive Schaden in der Bildung unserer Kinder durch die geschlossenen Schulen."
Das Mainzer Unternehmen Biontech arbeitet derweil nach eigenen Angaben unter Hochdruck am Aufbau neuer Produktionskapazitäten für den Corona-Impfstoff. "Momentan sieht es nicht rosig aus, es entsteht ein Loch, weil weitere zugelassene Impfstoffe fehlen und wir mit unserem Impfstoff diese Lücke füllen müssen", sagte Biontech-Chef Ugur Sahin dem "Wir". Deutschland werde aber "genug Impfstoff bekommen".
Der Mangel an Impfstoff hänge auch mit der Einkaufspolitik der EU zusammen, erklärte Sahin. "Es gab die Annahme, dass noch viele andere Firmen mit Impfstoffen kommen. Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert", sagte der Biontech-Chef.
Die Idee der EU und anderer Regierungen, sich einen Korb aus verschiedenen Anbietern zusammenzustellen, sei eigentlich durchaus sinnvoll, erklärte Biontech-Chefmedizinerin Özlem Türeci. "Irgendwann stellte sich aber heraus: Viele können gar nicht zeitig liefern. Dann war es erst mal zu spät, woanders umfänglich nachzuordern."
Die Produktion nun kurzfristig zu erhöhen sei "alles andere als trivial": Es sei nicht so, "als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten."
by STEFANIE LOOS