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Regierung beschließt Pflegereform mit Pflicht zu Zahlung von Tariflöhnen

Kritik an unzureichenden Entlastungen für Pflegebedürftige

Pflegekräfte sollen künftig besser bezahlt und Pflegebedürftige zumindest etwas entlastet werden. Dies sieht die nach langem Ringen in der Koalition ausgehandelte Pflegereform vor, die am Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde. Sozialverbände und Opposition kritisierten die Neuregelung als unzureichend, auch gab es Zweifel an der Finanzierung und daran, ob die Entlastungen überhaupt bei den Pflegebedürftigen ankommen.

Das neue Gesetz, das in Form eines Antrags von Union und SPD im Bundestag eingebracht werden soll, sieht ab September eine Verpflichtung zur Zahlung von Tariflöhnen für alle Pflegeeinrichtungen vor, die Leistungen mit der Pflegeversicherung abrechnen. Den Einrichtungen soll die Bezahlung nach Tarif vollständig durch die Pflegekassen refinanziert werden.

Um eine finanzielle Überforderung von Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern zu vermeiden, soll deren Eigenanteil im ersten Jahr des Heimaufenthalts um fünf Prozent sinken. Im zweiten Jahr übernimmt die Pflegekasse 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent des Eigenanteils. Nicht von der Entlastung betroffen sind allerdings sonstige Kosten, etwa für Unterkunft und Verpflegung. In der ambulanten Pflege sollen die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung um fünf Prozent steigen.

Weitere Neuregelungen betreffen die Arbeit der Pflegekräfte. Sie sollen mehr Entscheidungsbefugnisse bei der Auswahl der richtigen Hilfsmittel sowie der häuslichen Versorgung von Pflegebedürftigen erhalten. Für Pflegeheime soll künftig ein einheitlicher Personalschlüssel gelten, was die Einstellung zusätzlicher Pflegekräfte ermöglichen soll.

"Ich freue mich, vor allem in der Altenpflege zu einer besseren Bezahlung zu kommen", sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er sprach von einem "beachtlichen Reformpaket", für das es auch eine "saubere Gegenfinanzierung" gebe. Vorgesehen sind ein Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro jährlich für die Pflegekassen sowie eine Anhebung des Pflegebeitrags für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte, was etwa 400 Millionen Euro ausmachen soll.

Es gehe um "anständige Lohn- und Arbeitsbedingungen" für die Pflegerinnen und Pfleger, sagte auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). "Das ist nicht die ganz große Pflegereform für alles und jedes", räumte er ein. Es sei aber wichtig, jetzt einen ersten Schritt zu gehen.

Der AOK-Bundesverband wies darauf hin, dass die Reform rund drei Milliarden Euro koste. Die Differenz zur Gegenfinanzierung werde von Spahn mit angeblich bereits eingeplanten Mitteln für eine Dynamisierung von Pflegeleistungen begründet, die nun in die Neuregelung einbezogen würden. Tatsächlich werde auf diese Dynamisierung aber schlicht verzichtet, kritisierte die AOK.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz verwies auf zu erwartende Kostensteigerungen für Pflegebedürftige aufgrund der höheren Löhne. Diese würden durch die vorgesehenen Entlastungen nicht ausgeglichen, so dass für Heimbewohnerinnen und -bewohner in den ersten beiden Jahren ihres Aufenthalts mit deutlichen Mehrbelastungen zu rechnen sei. Der Sozialverband ASB kritisierte, dass nicht der Eigenanteil in der ambulanten Pflege gedeckelt werde.

Diese Reform "lässt die Schuldenuhr bei den pflegebedürftigen Menschen immer schneller ticken", warnte auch die Grünen-Pflegeexpertin Kordula Schulz-Asche. Von "Stückwerk" sprach die FDP-Sozialpolitikerin Nicole Westig. Auf eine "solidarische Pflege-Vollversicherung" drängte Linken-Parteichefin Janine Wissler.

Die Bundesvereinigung privater Pflegeanbieter kritisierte die verpflichtende Entlohnung nach Tarif als "Entscheidung gegen private Pflege".

by THOMAS KIENZLE