Bern – Seit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts ist Russland zunehmend mit Sanktionen seitens des Westens konfrontiert. Die wirtschaftlichen Belastungen für das Land unter der Führung von Wladimir Putin haben sich vor allem verschärft, nachdem sogar der langjährige Verbündete China sich vom Kreml abgewandt hat, was Russland weiter in die Isolation drängt. Nun könnten sogar Sanktionen aus der neutralen Schweiz Putins persönliche Finanzen beeinträchtigen.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 brach die Schweiz mit ihrer traditionellen Neutralität – zumindest teilweise. Anders als beispielsweise Finnland und Schweden, die ihre Neutralität für einen Beitritt zur NATO vollständig aufgaben, schloss sich die Schweiz zumindest den Sanktionen der Europäischen Union an. Die Schweiz lehnte zwar direkte Waffenlieferungen an die Ukraine ab, stimmte jedoch der Wiederausfuhr einiger Schweizer Waffen und Munition an das angegriffene Land über Drittländer zu. Zusätzlich wurden seit Kriegsbeginn in der Schweiz rund 8,26 Milliarden Euro an russischen Geldern eingefroren, ein Bruchteil der geschätzten 154 Milliarden Euro an russischem Vermögen, das sich laut Angaben des Schweizer Bankenverbands in der Schweiz befindet.
Laut dem US-Portal Newsweek wächst in der Schweizer Regierung der Druck, diese eingefrorenen Vermögen aus Russland zur Unterstützung der Ukraine zu nutzen. Ein solcher Schritt würde gegen die Neutralität der Schweiz verstoßen, die im Jahr 2023 von 91 Prozent der Bevölkerung befürwortet wurde. Sollte jedoch eine entsprechende Maßnahme ergriffen werden, könnte dies auch Putins eigenes Vermögen gefährden. Ein Teil von Putins Vermögen soll sich laut Berichten zumindest teilweise unter dem Namen von Verbündeten auf Schweizer Konten befinden. Diese könnten also als Vermögensverwalter für Putin fungieren und beträchtliche Vermögenswerte des russischen Präsidenten in der Schweiz verwalten. Putin hat kürzlich ein Tauschgeschäft angeboten, um Zugang zu den eingefrorenen Geldern zu erhalten.
Im März stimmte der Schweizer Ständerat, eine der beiden Kammern des Parlaments, mit knapper Mehrheit für Anträge, die die Nutzung eingefrorener Vermögenswerte aus sogenannten „Aggressorstaaten“ betreffen. Damit hat die Schweizer Regierung nun rechtlich die Möglichkeit, die Vermögenswerte zu nutzen, um Reparationszahlungen oder Entschädigungen an die Ukraine zu leisten. Bern zögert derzeit noch, die eingefrorenen Gelder zu beschlagnahmen. Insbesondere Wirtschaftsminister Guy Parmelin, Mitglied der Schweizerischen Volkspartei (SVP), spricht sich gegen weitere Sanktionen gegenüber Moskau aus. Außenminister Ignazio Cassis hingegen betonte kürzlich, dass Russland für den in der Ukraine verursachten Schaden aufkommen müsse und die Schweiz sich an internationalen Gesprächen über Entschädigungsmechanismen beteiligen werde.
Neben der Gefährdung von Putins persönlichem Vermögen könnten weitere Sanktionen seitens der Schweiz auch die Wirtschaft Russlands unter Druck setzen, insbesondere in Bezug auf Goldimporte. Zwischen Februar 2022 und Juli 2023 wurden insgesamt 75 Tonnen Gold aus Russland heimlich in die Schweiz importiert, wobei das Edelmetall über Großbritannien eingeführt wurde, was nicht gegen Sanktionen verstößt. Die Schweiz hat seit August 2022 eigentlich den Kauf, Import oder Transport von Gold aus Russland untersagt. Sollte die Schweiz auch diese Einnahmequelle für den Kreml künftig blockieren, würde der Druck auf Putin weiter steigen. Der Schweizer Diplomat Thomas Greminger erklärte gegenüber Newsweek, dass „Neutralität nicht gleichbedeutend mit Gleichgültigkeit in Bezug auf die Verteidigung des Völkerrechts, die Werte der Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie“ sei. Eine Umfrage aus dem Jahr 2023 ergab, dass 75 Prozent der Schweizer der Meinung sind, die aktuellen Sanktionen gegen Russland seien mit der Neutralität vereinbar. 55 Prozent der Befragten sprachen sich für eine engere Zusammenarbeit mit der NATO aus – ein Anstieg um zehn Prozentpunkte im Vergleich zu 2021, vor dem Ukraine-Konflikt.