Angesichts der jüngsten schweren Raketenanschläge, wie dem Himars-Angriff, dürfte in Russland die Besorgnis über mögliche weitere ukrainische Luftangriffe gewachsen sein. Auch die Ukrainer selbst suchen nach Wegen, sich besser gegen russische Luftangriffe zu schützen. Die aktuelle Situation im Ukraine-Krieg hat eine Diskussion über die Lieferung einer neuen Wunderwaffe gegen Wladimir Putin entfacht. Die Ukraine setzt dabei auf die deutschen „Taurus“-Marschflugkörper, die eigenständig hunderte Kilometer bis zum Ziel fliegen können.
“Taurus“ stellt das deutsch-schwedische Gegenstück zu den britisch-französischen Marschflugkörpern „Storm Shadow“ und „Scalp“ dar. Nach Angaben der Bundeswehr wird der Taurus zur Bekämpfung wichtiger Ziele über große Entfernungen eingesetzt. Der Marschflugkörper kann eigenständig Hunderte Kilometer bis zum Ziel fliegen – die Flugroute ist dabei bereits vorprogrammiert. “Taurus“ bringt einen bedeutenden Vorteil im Angriff mit sich. Er verfügt nicht nur über eine große Reichweite, sondern ist auch für feindliche Luftabwehrsysteme schwer zu erkennen und somit schwer zu bekämpfen. Mit einer Länge von fünf Metern und einer Breite von nur etwa einem Meter ist der „Taurus“ wesentlich kleiner als ein Kampfflugzeug. Darüber hinaus fliegt der “Taurus“ in einer niedrigen Höhe von ungefähr 50 Metern, was es ihm ermöglicht, feindliche Flugabwehrsysteme zu umgehen. Die offizielle Reichweite beträgt mindestens 500 Kilometer.
Der US-General Ben Hodges ist davon überzeugt, dass Langstrecken-Raketen einen entscheidenden Vorteil für die ukrainischen Truppen darstellen. Sie würden “sicherstellen, dass die Krim für die russischen Luft- und Seestreitkräfte unzugänglich wird“. Hodges betonte in der ZDF-Sendung Maybrit Illner, dass, falls die USA solche Raketen an die Ukraine liefern würden, auch Deutschland “Taurus“ zur Verfügung stellen sollte. Falls Deutschland „Taurus“-Systeme an die Ukraine liefern würde, müssten diese jedoch auch in das System integriert werden, was Zeit in Anspruch nehmen könnte. Die Ukrainer haben kürzlich erneut ihre Forderung nach “Taurus“-Raketen bekräftigt. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, äußerte gegenüber der Welt am Sonntag: “Wir setzen große Hoffnungen in deutsche ‚Taurus‘-Raketen.“ In Anspielung auf frühere Debatten in Deutschland über die Lieferung anderer Waffengattungen wie Kampfpanzer sagte Makeiev, er hoffe, dass die Debatte diesmal verkürzt werden könne, um mehr Menschenleben zu retten.
Auch aus der deutschen Politik werden die Rufe lauter, die Waffe nach Kiew zu schicken. Marcus Faber, Verteidigungspolitiker der FDP, betonte, der Erfolg der von Großbritannien an die Ukraine gelieferten Marschflugkörper zeige die Bedeutung dieser Waffen. Roderich Kiesewetter, außenpolitischer Sprecher der CDU, erklärte, die Bundeswehr verfüge über 600 “Taurus“-Systeme. Davon seien zwar etwa 450 nicht einsatzbereit, könnten jedoch von der Firma MBDA für den Export in die Ukraine aufgerüstet werden. Nach den Lieferungen der europäischen Atommächte Großbritannien und Frankreich könnte Deutschland im Gleichschritt ebenfalls “Taurus“-Raketen an die Ukraine liefern. Es wäre also keine isolierte Maßnahme. Trotzdem hat das Bundesverteidigungsministerium bisher seine Ablehnung einer Lieferung bekräftigt. Eine Sprecherin erklärte gegenüber der Welt am Sonntag, dass Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) klarstellte, dass es keine Lieferung von „Taurus“-Marschflugkörpern geben werde.