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Prozess um Paketbomben gegen Lebensmittelfirmen in Heidelberg begonnen

66-jähriger Angeklagter weist Vorwürfe von Staatsanwaltschaft zurück

Mit der Verlesung der Anklage und ersten Zeugenaussagen hat vor dem Landgericht Heidelberg am Mittwoch der Prozess um eine Paketbombenserie mit vier Verletzten bei mehreren Lebensmittelunternehmen in Süddeutschland begonnen. Angeklagt ist ein 66-Jähriger aus dem Raum Ulm wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, gefährlicher Körperverletzung und versuchter schwerer Körperverletzung. Klaus S. wies die Vorwürfe zum Prozessbeginn zurück.

S. soll am 15. Februar drei selbstgebaute Sprengsätze verschickt haben. Einer ging an die Zentrale des Discounters Lidl in Neckarsulm, ein weiterer an den Getränkehersteller Wild in Eppelheim. Eine dritte Paketbombe an den Babykosthersteller Hipp wurde in einem Paketverteilzentrum abgefangen und unschädlich gemacht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft wollte S. die Unternehmen erpressen.

Der erste Sprengsatz explodierte am 16. Februar gegen 11.00 Uhr beim Getränkehersteller. Die Sprengkraft war laut Staatsanwalt Lars-Jörgen Geburtig nur gering. Ein Mitarbeiter erlitt leichte Hautverbrennungen und ein Knalltrauma.

Das Opfer sagte am Mittwoch vor Gericht aus, bis Mai wegen Kopf- und Nackenschmerzen sowie Erbrechen und Schwindels krank geschrieben gewesen zu sein. Seine Symptome seien teils noch da, hätten sich jedoch gebessert. Nach eigenen Angaben kehrte der Mann mittlerweile an seinen alten Arbeitsplatz zurück.

Der zweite Sprengsatz detonierte am 17. Februar in einem Verwaltungsgebäude von Lidl. Es gab drei Verletzte, einer von ihnen trug schwere Verletzungen davon. Rund hundert Mitarbeiter wurden aus dem Haus in Sicherheit gebracht.

Ein Mitarbeiter öffnete das Paket am Nachmittag in der Postannahmestelle. Durch die Explosion erlitt er laut Staatsanwaltschaft Verletzungen am linken Auge, an beiden Händen und an den Beinen. Darüber hinaus trug er ein Knalltrauma und einen starken Tinnitus davon. Zwei weitere Mitarbeiter erlitten ebenfalls ein Knalltrauma.

“Ein drittes Paket an den Babykosthersteller Hipp konnte durch die Ermittlungen vor Zustellung entschärft werden”, sagte Geburtig. Die Sonderkommission beschäftigte zeitweise rund hundert Beamte.

S. soll laut Anklage zumindest billigend in Kauf genommen haben, dass Mitarbeiter beim Öffnen dauerhafte Schäden erleiden könnten. Vor allem soll er damit gerechnet haben, dass durch die Explosionen Finger oder Gesichtsorgane dauerhaft beeinträchtigt und verletzt würden.

Als Sprengstoff soll dem 66-Jährigen eine “aus dem Abschaben von Zündholzköpfen gewonnene Masse” gedient haben. Die Sprengsätze seien so konstruiert gewesen, dass sie beim Öffnen der Pakete zündeten und explodierten.

Wenige Tage nach dem Fund der dritten Paketbombe wurde der 66-Jährige von Spezialkräften festgenommen. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. Bei einer Durchsuchung wurden 13 Zentralfeuerkartuschen mit unterschiedlichem Kaliber sowie zwei Zentralfeuerpatronen als Beweismittel gefunden. Eine Besitzerlaubnis dafür hatte S. laut Anklage nicht.

Vor Gericht wies der Angeklagte am Mittwoch die Vorwürfe in einer von ihm vorgelesenen Erklärung zurück. Er sei nicht der Mann, der auf den Bildern der Überwachungskamera aus einer Postfiliale zu sehen sei. “Ich bin nicht die von Ihnen gesuchte Person”, sagte der 66-Jährige. Zur Tatzeit sei er zu Hause gewesen.

Die Verletzten aus der Lidl-Zentrale sind Nebenkläger im Prozess. Sie erschienen am Mittwoch nicht. Bis Mitte November sind noch elf weitere Prozesstermine angesetzt.

by Von Annalena DÖRNER

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