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Proteste in Myanmar trotz Polizeigewalt fortgesetzt

Zehntausende fordern in Rangun Freilassung von Suu Kyi

In Myanmar haben sich am Mittwoch erneut zehntausende Menschen an Protesten gegen die Militärjunta beteiligt. Bei einer Großdemonstration in Rangun forderten sie die Freilassung der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Am Vortag hatte die Polizei Demonstranten mit Tränengas und Gummigeschossen auseinandergetrieben.

Allein in der Wirtschaftsmetropole Rangun nahmen zehntausende Menschen an Demonstrationen teil, weitere Proteste gab es in der Hauptstadt Naypyidaw. Eine Woche nach dem Militärputsch in Myanmar hatte die Armeeführung am Dienstag die Zentrale der Partei der bisherigen de-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi in Rangun zerstört. Soe Win, ein Mitglied der Partei, führte am Mittwoch die Schäden vor. Alle Schlüssel waren verschwunden, die Tür stand weit offen, viele Kabel waren zerschnitten.

"Wir werden alles tun, um die Militärregierung zurückzuweisen", sagte der Hotelangestellte Kyaw Kyaw in Rangun. "Wir wollen nicht in einer Diktatur leben", ergänzte der Student Nyein Wai. Die Studentin Khin Nyein Wai sagte, sie beteilige sich an den Protesten, "weil ich die Militärdiktatur ablehne", es gehe um ihre Zukunft.

Der UN-Sondergesandte Tom Andrews verurteilte den Einsatz von Gewalt durch die Sicherheitskräfte. Er sagte, die Polizei habe in Naypyidaw eine junge Frau durch Schüsse verletzt. Bilder dieses Polizeieinsatzes verbreiteten sich schnell in den Online-Netzwerken. Ein Arzt sagte, die Frau sei in eine Intensivstation gebracht worden, weil sie nicht bei Bewusstsein sei und nicht aus eigener Kraft atmen könne.

Seit Montagabend sind Versammlungen von mehr als fünf Menschen in Rangun, Naypyidaw und anderen Städten verboten. In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder Großkundgebungen gegeben, bei denen das Ende der Militärherrschaft und die Abschaffung der Verfassung von 2008 gefordert wurde, die der Armee viele Vorrechte einräumt. Am Dienstag wurden nach Informationen der Hilfsvereinigung für politische Gefangene in Mandalay 30 Politiker von Suu Kyis Nationaler Liga für Demokratie (NLD) festgenommen, darunter ein Rundfunkreporter des Senders DVB.

Die Armee zieht die Rechtmäßigkeit der Wahlen vom November in Zweifel, die mit einem massiven Sieg der NLD endeten. Die NLD erklärte, Suu Kyi sei "bei guter Gesundheit". Allerdings wurde Suu Kyi weiterhin nicht in der Öffentlichkeit gesehen. In der Stadt Loikaw im Osten des Landes liefen nach örtlichen Medienberichten vier Offiziere zu den Protestierenden über.

In Mandalay beobachteten Augenzeugen, dass Sicherheitskräfte Tränengas auf Demonstranten abfeuerten, die die Fahne der NLD schwenkten. Erstmals gingen die staatlichen Medien auf die Proteste ein. Sie berichteten, die Menschen hätten "obszöne Worte" gebraucht und mit Gegenständen nach der Polizei geworfen. Dabei seien vier Polizisten verletzt worden.

Die USA erneuerten ihren Aufruf, die freie Meinungsäußerung in Myanmar wieder zu garantieren. Die Junta um Militärchef Min Aung Hlain müsse zurücktreten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte, es könne Sanktionen gegen die Junta geben, allerdings solle die Bevölkerung in Myanmar von politischen Maßnahmen nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

by Ye Aung THU