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Polizist tötet bei Angriff auf Synagoge auf tunesischer Insel Djerba fünf Menschen

Bei einem Angriff auf eine Synagoge auf der tunesischen Ferieninsel Djerba sind mindestens fünf Menschen getötet worden. Wie das tunesische Innenministerium mitteilte, erschoss ein Polizist am Dienstagabend bei der Attacke vor der Ghriba-Synagoge während eines jüdischen Pilgerfests zwei Pilger und zwei Sicherheitskräfte und verletzte acht weitere Menschen. Zuvor hatte er bereits einen Kollegen getötet. Der Angriff löste international Entsetzen aus.

Dem Ministerium zufolge tötete der Polizist im Hafen von Djerba zunächst einen Kollegen und nahm dem Toten dessen Munition ab. Dann begab er sich zur Ghriba-Synagoge - die älteste Synagoge Afrikas - wo sich hunderte Pilger versammelt hatten. Dort eröffnete der Polizist in Uniform und mit schusssicherer Weste das Feuer auf Pilger und lieferte sich dann ein Gefecht mit den Sicherheitskräften, die den Ort bewachten, bevor er selbst erschossen wurde.

Unter den Besuchern der Synagoge brach nach den Schüssen zeitweise Panik aus. Bei den getöteten Pilgern handelte es sich nach Angaben des Außenministeriums in Tunis um einen Tunesier und einen Franzosen. Vier weitere Besucher der Synagoge wurden demnach verletzt in ein Krankenhaus gebracht. Es sei eine vorläufige strafrechtliche Untersuchung eingeleitet worden, sagte der Sprecher des örtlichen Gerichts in der Provinz Medenine, Fethi Bakkouche, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. 

Das Motiv "für diese feige Tat" sei noch unklar, erklärte das Innenministerium. Von einer terroristischen Tat wollte es zunächst nicht sprechen. AFP-Journalisten zufolge wurden nach dem Anschlag im Umkreis der Synagoge zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen und sämtliche Zufahrtsstraßen gesperrt. Bei einem islamistischen Anschlag mit einem Lkw vor der Synagoge im Jahr 2002 waren 21 Menschen getötet worden, unter ihnen 14 Deutsche.

An der diesjährigen Wallfahrt zur Ghriba-Synagoge nahmen nach Angaben der Organisatoren mehr als 5000 Menschen teil, überwiegend aus dem Ausland. Das religiöse Ereignis am Feiertag Lag Baomer zieht jährlich tausende Gläubige an, die meisten von ihnen aus europäischen Ländern, den USA und Israel. Nach dem Anschlag von 2002 war die Zahl der Besucher jedoch stark zurückgegangen.

Wie alle anderen Länder bleibe auch Tunesien "nicht von derartigen Destabilisierungsversuchen verschont", sagte Tourismusminister Mohamed Moez Belhassine am Mittwoch in Djerba, einer auch bei deutschen Touristen beliebten Ferieninsel. Die Behörden setzten jedoch alles daran, den während der Corona-Pandemie stark eingebrochenen Tourismus in seinem Land weiter anzukurbeln.

Zu den Besuchern der Synagoge zum Zeitpunkt des Anschlags gehörte auch der frühere tunesische Tourismusminister René Trabelsi, der Mitglied der jüdischen Gemeinde ist. Ihm zufolge handelte es sich bei den getöteten Pilgern um zwei Cousins: Aviel Haddad, einen 30-jährigen tunesischen Juden, und den 42-jährigen Benjamin Haddad aus Frankreich. In einem Interview mit dem Radiosender Mosaïque FM sagte Trabelsi, dass es "ohne das schnelle Eingreifen der Sicherheitskräfte zu einem Blutbad gekommen wäre".

Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich am Mittwoch im Kurzbotschaftendienst Twitter erschüttert. Frankreich denke "mit Schmerz an die Opfer, das tunesische Volk, unsere Freunde" und stehe "an der Seite der Familie unseres ermordeten Landsmanns". "Wir werden immer und ohne Unterlass gegen antisemitischen Hass kämpfen", erklärte er. 

Auch die USA verurteilten den Angriff. "Wir drücken dem tunesischen Volk unser Beileid aus und begrüßen das schnelle Handeln der tunesischen Sicherheitskräfte", erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums auf Twitter.

Die Pilgerfahrt nach Ghriba zählt zur jüdischen Tradition in Tunesien. Seit der Unabhängigkeit des nordafrikanischen Landes von Frankreich im Jahr 1956 ist die Zahl der Juden in Tunesien aber von rund 100.000 auf geschätzt 1500 gesunken. Die meisten von ihnen leben heute auf Djerba. 

Die Ghriba-Synagoge gilt als älteste Synagoge Afrikas. Ihren Grundstein sollen die ersten Juden Nordafrikas mit einem Stein des zerstörten Jerusalemer Tempels gelegt haben. Sie ist einem Mädchen gewidmet, der "Ghriba", das angeblich von einem Blitz getötet wurde und Wünsche nach Fruchtbarkeit, Eheglück und Gesundheit erfüllt. 

kas/cp