Vor dem Landgericht Stuttgart hat ein Prozess wegen sexueller Nötigung gegen den einstmals höchsten Polizeibeamten Baden-Württembergs begonnen. Zum Auftakt wies die Verteidigung am Freitag die Vorwürfe gegen den suspendierten Polizeiinspekteur Andreas R. zurück, der laut Anklage im Jahr 2021 eine Polizeibeamtin zu sexuellen Handlungen aufgefordert haben soll.
In einer Erklärung warf die Verteidigung von R. der Beamtin vor, mehrfach die Unwahrheit gesagt zu haben. In dem etwa dreistündigen Video einer Überwachungskamera sei zu sehen, dass sie "zahlreiche intime Handlungen eigeninitiativ an R. ausübe". Zudem führten die Anwälte des Angeklagten ein monatelanges intimes Verhältnis der Beamtin mit einem anderen Vorgesetzten im Innenministerium als entlastendes Detail ins Feld.
Nach Verlesung der Anklageschrift wurde die Öffentlichkeit beim Statement der Verteidigung sowie bei der Aussage der betroffenen Beamtin ausgeschlossen. Die Verteidigerin von R. kritisierte, dass durch die Berichterstattung im Vorfeld die Intimsphäre des Angeklagten beeinträchtigt worden sei. Bereits vor Prozessbeginn waren Details der Anklageschrift in die Öffentlichkeit gelangt.
Die Anklage wirft dem suspendierten 49-jährigen Polizeiinspekteur vor, im November 2021 die Polizeibeamtin, die sich im Auswahlverfahren für den höheren Polizeivollzugsdienst befand, zu sexuellen Handlungen aufgefordert und dabei die Abhängigkeit der Beamtin ausgenutzt zu haben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft war er in der Lage, der Polizeibeamtin im Fall ihres Widerstands erhebliche berufliche Nachteile zu bereiten. Die Beamtin zeigte das Verhalten selbst an und legte als Beweis den Mitschnitt eines Videocalls vor.
R. war maßgebliches Mitglied der Beurteilungskommission, die über Personalfragen in der Polizei entscheidet. Der Anklage zufolge soll er nach einem Personalgespräch mit der Beamtin, das bei einer Flasche Sekt und anderen alkoholischen Getränken begonnen haben soll, mit der Frau und anderen Beamten in eine Kneipe gegangen sein. Um Mitternacht soll R. die Beamtin überredet haben, ihn in seine Stammkneipe zu begleiten. Dort soll er sie zu intimen Handlungen gedrängt haben.
In den frühen Morgenstunden soll er sie laut Anklage vor der Kneipe zu sexuellen Handlungen genötigt haben. Einige Tage später soll er ihr zudem in einem Videotelefonat unter Hinweis auf seine Stellung eindeutige Angebote gemacht haben. Davon liegt der Staatsanwaltschaft ein Mitschnitt vor. Mit einem Urteil wird frühestens im Mai zu gerechnet.
Die Ermittlungen gegen den Spitzenbeamten hatten auch für Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) ein juristisches Nachspiel. Weil er gesetzeswidrig Dokumente zu dem Verfahren an Journalisten gab, musste er einen Strafbefehl akzeptieren. Im Landtag befasst sich derzeit ein Untersuchungsausschuss mit der Affäre. Neben dem Strafverfahren droht dem angeklagten früheren Spitzenbeamten der Polizei auch ein Disziplinarverfahren.
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