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Politiker in Alarmstimmung wegen neuen Rechtsextremismusskandals bei NRW-Polizei

Polizisten sollen volksverhetzende Bilder gepostet haben - 29 Beamte suspendiert

Ein neuer Rechtsextremismusskandal bei der nordrhein-westfälischen Polizei hat am Mittwoch Bundes- und Landespolitiker in Alarmstimmung versetzt. Gegen 29 Polizisten überwiegend aus dem Bereich des Polizeipräsidiums Essen werden Vorwürfe wegen rassistischer Postings in privaten Chatgruppen erhoben, wie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) mitteilte. Reul sagte, der Fall treffe die Landespolizei "bis ins Mark". Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums nannte die Vorgänge "in höchstem Maße alarmierend".

Nach den Worten Reuls gingen am Mittwochmorgen zeitgleich mehr als 200 Beamte mit einer Razzia gegen die Kollegen vor, die in fünf Chatgruppen rechtsextremistische Hetze gepostet haben sollen. Durchsucht wurden demnach insgesamt 34 Polizeidienststellen und Privatwohnungen. Dabei wurden nach Angaben der Duisburger Staatsanwaltschaft zahlreiche Datenspeicher beschlagnahmt.

In den Chatgruppen sei "übelste und widerwärtigste Hetze" betrieben worden, sagte Reul in Düsseldorf. Gepostet wurden demnach unter anderem Bilder des Naziführers Adolf Hitler, von Hakenkreuzen und Reichskriegsflaggen sowie eine fiktive Darstellung eines Flüchtlings in einer Gaskammer.

Im Zusammenhang mit den Postings wird Reul zufolge gegen elf Polizisten strafrechtlich unter anderem wegen Volksverhetzung ermittelt. Diese Beamten sollen die rechtsextremen Bilder aktiv verbreitet haben. Andere Beamte stehen im Verdacht, als Mitglieder der Chatgruppen über die geposteten Nachrichten geschwiegen zu haben. Gegen alle 29 Polizisten wurden Disziplinarverfahren eröffnet. Sie wurden vom Dienst suspendiert.

Bei den Nachforschungen gegen aktive und frühere Mitglieder einer Dienstgruppe der Polizei in Mülheim an der Ruhr, die zum Polizeipräsidium Essen gehört, wurden Reul zufolge weit über hundert in fünf Whatsapp-Gruppen verbreitete Bilddateien entdeckt. "Ich habe das zunächst nicht glauben wollen, dass es wirklich sowas gibt", sagte Reul zu den bisherigen Ermittlungsergebnissen.

Auf die Spur des mutmaßlichen Netzwerks bei der Essener Polizei kamen die Behörden durch Ermittlungen gegen einen Polizisten, der einem Journalisten Dienstgeheimnisse verraten haben soll. Im Zuge der Nachforschungen im August stießen die Ermittler dann bei dem Polizisten auf die rechtsextremistischen Bilddateien.

Reul sagte, der Vorgang mache ihn "sprachlos" und sei eine "Schande für die NRW-Polizei". Es gelte nun, "glasklare politische Kante" zu zeigen. Der NRW-Innenminister setzte einen eigenen Sonderbeauftragten ein, der nun unter anderem ein Lagebild über Rechtsextremismus in der Polizei erstellen soll.

Das Bundesinnenministerium zeigte sich schockiert von dem Skandal. Träfen wie Vorwürfe zu, sei dies eine "Schande" für die Polizei in Nordrhein-Westfalen, sagte ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin. Es handle sich auch um einen "Schlag ins Gesicht" aller Polizisten, die in großer Loyalität zur demokratischen Grundordnung stünden. Der Fall belege aber auch, dass die Sicherheitsbehörden allen Hinweisen mit Konsequenz nachgingen.

Der SPD-Innenpolitiker Dirk Wiese übte hingegen Kritik an Reul. "Während die SPD in NRW bereits Anfang dieses Jahres einen Masterplan zur wirksamen Bekämpfung des Rechtsextremismus in NRW vorgelegt hat, ist Innenminister Reul nach wie vor ohne Plan", sagte Wiese dem Portal "t-online.de". "Hier besteht dringender Handlungsbedarf von Seiten der Landesregierung."

Der FDP-Obmann im Innenausschuss des Bundestags, Benjamin Strasser, erklärte, angesichts des neuen Falls werde "ein Lagebild über Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden immer dringender". "Immer wieder wurde die Veröffentlichung des Berichts versprochen und dann doch verschoben", kritisierte Strasser.

Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic zeigte sich alarmiert. Es müsse nun "schnell geklärt werden, ob dieses Netzwerk strategisch gehandelt hat und auch länderübergreifend agiert hat". "Außerdem ist zu klären, auf welche Daten von Bürgerinnen und Bürgern die Chatteilnehmer Zugriff genommen haben um sie gegebenenfalls für ihre Zwecke zu nutzen", erklärte Mihalic.

Bei der NRW-Polizei hatte es in den vergangenen Monaten wiederholt rechtsextremistische Vorfälle gegeben, darunter in Aachen und Hamm. Auch in mehreren anderen Bundesländern gibt es entsprechende Vorwürfe gegen Polizisten.

by INA FASSBENDER