Nach der abermaligen Verlängerung des Corona-Lockdowns werden Forderungen nach einer Ausstiegs-Strategie lauter. Der Vizechef der Unionsfraktion, Georg Nüßlein (CSU), forderte nach Auslaufen der Maßnahmen am 14. Februar erste Lockerungen. Er begründete dies mit den sinkenden Infektionszahlen - aber auch mit der wachsenden Ungeduld der Menschen: Er stelle fest, "dass die Stimmung kippt", sagte Nüsslein der "Augsburger Allgemeinen" vom Samstag.
Für eine Öffnungsperspektive nach dem 14. Februar sprach sich auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) aus. Sein Vorschlag: Mitte Februar sollten Schulen und Kindergärten wieder öffnen, "wenn es verantwortbar ist", sagte Kretschmer der "Welt". "Auch Friseure sollten dann wieder öffnen dürfen. Im März könnten wir dann über den Einzelhandel sprechen. Und nach Ostern auch über die Gastronomie."
Der CSU-Abgeordnete Nüßlein zog grundsätzlich das von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der unionsgeführten Bundesregierung favorisierte Inzidenz-Ziel in Zweifel: "Es ist wegen der massiven Auswirkungen nicht verantwortbar, solange einen flächendeckenden Lockdown zu verordnen, bis die Inzidenz-Zahl unter 50 oder unter 35 sinkt", sagte er der "Augsburger Allgemeinen". Der Inzidenzwert gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen an.
Wenn sich die Lage in den kommenden Wochen nicht noch einmal drastisch verschlechtere - etwa durch eine massive Ausbreitung mutierter Viren, "dann müssen wir spätestens ab Mitte Februar einen anderen Weg gehen als den bisherigen", sagte Nüßlein.
Anstatt hohe Milliardenbeträge für den Ausgleich wirtschaftlicher Schäden aufzubringen, sollte der Staat hier mehr Geld in die Hand nehmen: "Das heißt zum Beispiel: kostenlose und regelmäßige Tests für alle und weg mit der Mehrwertsteuer auf medizinische Masken, dazu für jeden gut erreichbare Tests in Apotheken."
Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnte vor der Ermüdung der Bevölkerung bei der Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen. "Es ist nachvollziehbar, dass die Menschen nach zehn Monaten Pandemie ermüdet sind und die Corona-Schutzmaßnahmen als belastend empfinden", sagte Reinhardt der Düsseldorfer "Rheinischen Post" vom Samstag. "Sie verursachen bei vielen Menschen auch psychosozialen Stress." Wichtig sei deshalb, "dass die Politik den Bürgern Perspektiven bietet".
Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Thüringen und Rheinland-Pfalz sprachen sich derweil gegen Lockerungen aus. Stephan Weil (SPD) aus Niedersachsen begründete das gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" mit neuen Virusvarianten: "Da wir aber die wahren Ausmaße der hiesigen Mutationen nicht kennen, können wir jetzt nicht das Risiko eingehen und vorzeitig auch nur punktuelle Lockerungen ausprobieren."
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) äußere Verständnis für die Ungeduld der Bürger. "Ich wäre gerne längst bei meinem Friseur gewesen und bei meiner Fußpflege", sagte er der "FAS". Er glaube sogar, dass das Risiko in den Salons gering sei. Das sei aber nicht das Argument: "Ein Hauptfaktor, warum wir zu diesen Lockdowns kommen, ist auch die Reduzierung von Mobilität."
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sagte der Zeitung, Ziel sei es nun, "die Infektionszahlen schnell und drastisch zu senken". Das sei der Weg zurück "in einen Alltag, in dem wir Schulen wieder öffnen, Geschäfte, Restaurants, Museen und Theaterbühnen".
by Odd ANDERSEN