Im Zusammenhang mit dem in Deutschland nicht sonderlich beliebten Impfstoff von AstraZeneca sorgen nun Studienergebnisse aus England für Aufsehen. Denn diese beweisen nicht nur, dass der Impfstoff viel wirksamer ist als bisher angenommen, sondern auch eine hohe Wirksamkeit bei älteren Menschen. Aus diesem Grund will die
Deutsche Impfkommission ihre Empfehlung so schnell wie möglich ändern. Zukünftig sollen dann auch Menschen über 65 Jahren mit dem AstraZeneca-Impfstoff geimpft werden.
Wie es scheint ist der Impfstoff von AstraZeneca wohl viel besser als sein Ruf. Dies belegen nun neue Studiendaten aus England. So soll das Vakzin nicht nur besser wirken als gedacht, sondern vor allem auch in der Gruppe der Menschen über 70 Jahren hochwirksam sein. Wegen fehlender Daten bei den älteren Menschen ist der Impfstoff in Deutschland nur für Personen bis maximal 65 Jahren zugelassen worden. Nun jedoch beweisen Realdaten, dass der Impstoff in der Altersgruppe über 65 Jahren sogar effektiver ist als der mRNA-Impfstoff von Biontech. Schon nach der 1. Dosis des AstraZeneca-Impstoffes soll der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf bei um die 90 Prozent liegen. Studien des schottischen Ministeriums für Gesundheit zeigen angeblich sogar, dass der Biontech-Impfstoff die Rate der Hospitalisierung um 85 % senkt. Doch das Vakzin von AstraZeneca senkt das Risiko sogar um 94 %. Die Daten der Studie stammen aus dem Zeitraum vom 8. Dezember bis zum 15. Februar. Insgesamt wurden die Daten von 1,14 Millionen geimpfter Personen analysiert.
Die Studienergebnisse von der Insel sind in Deutschland begeistert aufgenommen worden. “Das ist eine ganz tolle Nachricht“, ist sich der Frankfurter Pharmakologe Prof. Theo Dingermann (72) sicher. “Aber es wäre gut gewesen, das zur Zulassung gewusst zu haben.“ Denn man habe den Impfstoff von AstraZeneca bei der Zulassung nie als schlechter eingestuft, sondern die Entscheidung auf Basis der dünnen Datenlage getroffen. Aus diesem Grund sei die aktuelle Bewertung des Impfstoffe eine deutlich Unterbewertung. Bei einigen Probanden habe der Impfstoff bereits damals eine Wirksamkeit von über 90% errreicht, die nicht in die Bewertung des Zulassungsverfahren eingegangen waren. “Da haben Experten schon geahnt, dass der Impfstoff besser sein muss, als in der Zulassung steht. Insofern ist es gut, dass er jetzt so durchschlägt“, zeigt sich Dingermann froh. Auch die Ständige Impfkommission (Stiko) will wegen der neusten Erkenntnisse ihre Empfehlung zum britisch-schwedischen Vakzin schnellstens ändern. Stiko-Chef Thomas Mertens kündigte an es werde “sehr bald zu einer neuen, aktualisierten Empfehlung kommen“.
Aktuell gilt noch die Empfehlung der Stiko das Astrazeneca-Vakzins lediglich bei Menschen unter 65 Jahren anzuwenden. Auch diese Einschränkung habe zu dem Akzeptanzverlust in Deutschland geführt. “Das Ganze ist irgendwie schlecht gelaufen“, gibt Mertens offen zu. Zum Zeitpunkt des Zulassungsverfahren hätten einfach nicht genügend Daten über die Wirkung bei älteren Menschen vorgelegen. “Wir haben nie den Impfstoff kritisiert. Wir haben nur kritisiert, dass die Datenlage für die Altersgruppe über 65 nicht gut oder nicht ausreichend war“, betonte Mertens. Nun hat der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gefordert, die Impfreihenfolge für den AstraZeneca-Impfstoff zu lockern. “Bevor er liegen bleibt, impfen wer will“, forderte Söder am Sonntag bei der “Bild am Sonntag“. “Denn jeder Geimpfte schützt sich und andere“, stellt Söder klar. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert ebenfalls eine Neuausrichtung der Impfstrategie. Der SPD-Politiker empfiehlt hingegen den Impfstoff von AstraZeneca für unter 65-Jährigen in den ersten drei Prioritätsgruppen zur Verfügung zu stellen. Mit diesen Maßnahmen soll das Tempo bei den Impfungen deutlich erhöht werden.