Mit einem deutschen Preisträger sowie einem eindringlichen Aufruf zum Kampf gegen den Klimawandel hat am Dienstag die Verleihung des Physik-Nobelpreises aufgewartet. Für Forschungen zur Vorhersage des Klimawandels wurde der Hamburger Physiker Klaus Hasselmann zusammen mit seinem US-japanischen Kollegen Syukuro Manabe ausgezeichnet. Die andere Hälfte des Preises sprach die Schwedische Akademie der Wissenschaften dem Italiener Giorgio Parisi für seine Forschung über komplexe physikalische Systeme zu.
Der Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik, Thor Hans Hansson, wandte sich an politische Entscheidungsträger in aller Welt. Er sei sich nicht sicher, ob diese die Warnungen vor dem Klimawandel endlich verstünden, wenn das Nobel-Komitee sie darauf hinweise. Fest stehe jedenfalls, "dass die Klimamodelle solide auf Physik-Theorie beruhen". In knapp vier Wochen kommen bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow zahlreiche politische Entscheidungsträger zusammen.
Hasselmann und Manabe wurden für ihre physikalischen Modelle für eine "zuverlässige Vorhersage der Erderwärmung" geehrt, wie die Akademie der Wissenschaften in Stockholm erläuterte. Sie hätten zum Verständnis beigetragen, wie das Erdklima funktioniert und wie der Mensch es beeinflusst.
Die andere Hälfte des Preises geht an Parisi für die Entdeckung, wie das "Zusammenspiel von Unordnung und Fluktuationen physikalische Systeme von der atomaren bis hin zu planetaren Ebene bestimmt". Die Akademie sprach von "revolutionären" Erkenntnissen des 73-jährigen Professors der Sapienza-Universität in Rom. Parisi bekommt eine Hälfte des Preisgelds in Höhe von insgesamt zehn Millionen Kronen (rund 985.000 Euro), Hasselmann und Manabe teilen sich die andere Hälfte.
Das Nobel-Komitee schlug einen Bogen zwischen Parisis Forschungsgebiet und dem von Hasselmann und Manabes: "Ein komplexes System von entscheidender Bedeutung für die Menschenheit ist das Erdklima." Parisi antwortete in einem Interview auf die Frage nach seiner Botschaft an die UN-Klimakonferenz: "Es ist klar, dass wir für künftige Generationen jetzt sehr schnell handeln müssen."
Hasselmann, der am 25. Oktober 90 Jahre alt wird, hatte früher das Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg geleitet. Auf Grundlage seiner Forschung, die zuverlässige Klimamodelle trotz einer mitunter chaotischen Variabilität von Wetterphänomenen ermöglicht, warnte er früh vor dem "Fingerabdruck" des Menschen beim Klimawandel. "In 30 bis 100 Jahren, je nachdem, wieviel fossiles Brennmaterial wir verbrauchen, wird auf uns eine ganz erhebliche Klimaänderung zukommen", sagte Hasselmann 1988 in einem Zeitungsinterview.
Der 90-jährige Manabe wurde in Japan geboren, lebt aber in den USA. Zuletzt forschte er an der Elite-Universität Princeton. Bereits in den 60er Jahren hatte Manabe nachgewiesen, dass der Temperaturanstieg auf der Erde mit dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre zusammenhängt.
Die Bundesregierung gratulierte Hasselmann und dankte ihm via Twitter "für alles, was Sie zu unserem Verständnis des Klimas der Erde und des menschlichen Einflusses darauf beigetragen haben". Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erklärte, Hasselmann habe der Menschheit die Chance gegeben, die Gefahren durch den Klimawandel "rechtzeitig zu verstehen, um ihr Überleben zu sichern".
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) lobte den Nobelpreis für Hasselmann als "fantastische Anerkennung" für den "Gründer der modernen Klimawissenschaft" und Mitbegründer des PIK.
Hasselmanns Familie war 1934 nach England emigriert. 1949 kehrte Hasselmann nach Deutschland zurück. Er studierte in Hamburg und Göttingen Physik und Mathematik und lehrte nach seiner Promotion in Deutschland und den USA. 1975 übernahm er die Leitung des Max-Planck-Instituts für Meteorologie.
Bereits im vergangenen Jahr war ein Deutscher mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet worden. Der Astrophysiker Reinhard Genzel teilte sich den Preis mit dem Briten Roger Penrose und der US-Wissenschaftlerin Andrea Ghez für ihre Forschungen zu Schwarzen Löchern.
Die diesjährige Nobelpreis-Saison hatte am Montag mit der Auszeichnung in der Kategorie Medizin für die US-Forscher David Julius und Ardem Patapoutian begonnen. Bis Ende der Woche folgen die Nobelpreise für Chemie, Literatur und Frieden, am Montag wird der Wirtschaftsnobelpreis verliehen.
by Von Johannes LEDEL