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Parteiübergreifend Aufrufe zu Aufnahme weiterer Geflüchteter aus Griechenland

Scholz: Das muss mehr werden - Kommunen bekräftigen Aufnahmebereitschaft

Angesichts der dramatischen Lage auf der griechischen Insel Lesbos haben Politiker in Deutschland parteiübergreifend zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge aufgerufen. "Das muss mehr werden", sagte Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Samstag in Berlin. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) nannte das Verhalten Deutschlands und der EU ein "Totalversagen".

Bislang haben sich Deutschland und weitere europäische Länder zur Aufnahme von 400 unbegleiteten Minderjährigen aus dem abgebrannten Camp Moria auf Lesbos bereiterklärt. Davon sollen bis zu 150 Kinder und Jugendliche nach Deutschland kommen. Ohne Unterkunft sind jedoch auf Lesbos derzeit etwa 12.000 Menschen.

Die bisher genannten Zahlen seien "weit weg von den Anforderungen, die da sind", sagte Scholz in Berlin. Auch Deutschland müsse zusagen, "in größerem Umfang weitere Flüchtlinge aufzunehmen". Das "gebietet unsere humanitäre Vernunft", sagte der SPD-Politiker. Die Jusos forderten dafür einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag im Bundestag, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kündigte im Sender rbb eine Initiative im Bundesrat an.

Städtetags-Präsident Burkhard Jung (SPD) sprach von einer humanitären Katastrophe. "Diesen Menschen muss dringend geholfen werden", sagte er der "Rheinischen Post". Jung lobte ausdrücklich die von zahlreichen deutschen Kommunen erklärte Bereitschaft zur Aufnahme weiterer Geflüchteter. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Siemtje Möller verlangte in der "Passauer Neuen Presse", Deutschland solle die Hälfte der auf Lesbos gestrandeten Menschen aufnehmen.

Seehofer pocht für die Aufnahme von Geflüchteten auf europäische Lösungen, die aber schwer zu erreichen sind. Allerdings teilte der Innenminister am Freitagabend mit, dass auch er an einer "raschen Lösung" für Familien mit Kindern arbeite, die durch den Brand im Flüchtlingslager Moria obdachlos geworden sind. "Die Aufnahme der 400 unbegleiteten Minderjährigen ist nur der erste Schritt. Der zweite Schritt wird folgen", versicherte Seehofer.

Roth warf Seehofer jedoch vor, die Aufnahmeangebote deutscher Bundesländer und Kommunen weiterhin zu blockieren. "Mit seiner Ablehnung macht Seehofer sich mitverantwortlich an dem unmenschlichen Leid an Europas Haustür", kritisierte die Grünen-Politikerin in der "Augsburger Allgemeinen". Sie rief Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, "eine großzügige Aufnahme" von Geflüchteten in Deutschland zu ermöglichen.

Unterstützung für solche Forderungen gibt es auch in der Union. "Wir dürfen keine Angst haben, menschlich zu handeln", sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen der "Süddeutschen Zeitung". Es handele sich um eine "abgrenzbare humanitäre Notlage", bei der man deshalb "helfen könne, ohne falsche Anreize zu setzen".

Andere CDU-Politiker beharrten dagegen auf einem harten Kurs. "2015 darf sich nicht wiederholen", mahnte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt mit Blick auf die damals hohen Flüchtlingszahlen. Der richtige Ansatz sei der Bau eines neuen Flüchtlingslagers auf Lesbos, sagte CDU-Vize Thomas Strobl "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten". Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen.

Für mehr Menschlichkeit warb dagegen auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson. Die Geflüchteten auf Lesbos seien vor allem Menschen, die Hilfe bräuchten. Daher begrüße sie jeden Beitrag, "die Solidarität, die Europa zusammenhält, greifbar und real zu machen", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

by ANGELOS TZORTZINIS