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OLG: Notarielle Testamente zugunsten von Berufsbetreuern können sittenwidrig sein

Von Berufsbetreuern durch die Beeinflussung eines ihnen anvertrauten gebrechlichen Menschen zustande gekommene notarielle Testamente können sittenwidrig und damit nichtig sein. Das bekräftigte das Oberlandesgericht (OLG) im niedersächsischen Celle nach Angaben vom Donnerstag in einem von einer gerichtlich bestellten Berufsbetreuerin angestrengten Zivilverfahren, mit dem sich die Frau gegen die Verweigerung eines Erbscheins wehrte. (Az. 6 U 22/20)

Hintergrund war nach Gerichtsangaben der Fall einer 92-Jährigen, die von der Berufsbetreuerin im Jahr 2022 vor ihrem Tod kurzzeitig vertreten wurde, nachdem deren einzige Tochter unmittelbar zuvor gestorben war. Während eines Krankenhausaufenthalts der nun alleinstehenden kranken Seniorin beauftragte die gerichtlich bestellte Betreuerin bei einem Notar ein Testament, das sie zur Alleinerbin machte. Der Vermögenswert wurde mit 350.000 Euro angegeben.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nahm die Berufsbetreuerin die Frau noch vier Tage bei sich zu Hause auf, bevor diese eines natürlichen Todes starb. Das zuständige Amtsgericht lehnte den Antrag der Betreuerin auf Ausstellung eines Erbscheins anschließend jedoch mit dem Hinweis auf die Sittenwidrigkeit des Vorgangs ab. Dagegen ging diese gerichtlich vor. 

Mit seinem rechtskräftigen Beschluss bestätigte das OLG die Einschätzung der Vorinstanz allerdings. Es sei "unter Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls" davon auszugehen, dass von der Klägerin beauftragte Testament nach den Maßgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs als sittenwidrig anzusehen sei. Diese könne aus dem Dokument folglich auch keinerlei Rechte herleiten.

Das OLG stützte seine Einschätzung nach eigenen Angaben dabei unter anderem auf Umstände wie das hohe Alter der betreuten Seniorin sowie deren schlechte gesundheitliche Verfassung einschließlich ihrer Gemütsverfassung kurz nach dem Tod ihrer Tochter. Auch die Umstände der notariellen Beurkundung während eines Krankenhausaufenthalts und der "enge zeitliche Ablauf" der Ereignisse sprächen für eine Sittenwidrigkeit, erklärte der zuständige sechste Zivilsenat.

bro/cfm