Im Erzbistum Köln ist ein offener Aufstand der Laien gegen Kardinal Rainer Maria Woelki ausgebrochen. Nach einer außerordentlichen Vollversammlung des Diözesanrats erklärte das zum großen Teil aus Laien bestehende Gremium, die Mitarbeit an einem von Woelki eingeleiteten Zukunftsprozess auszusetzen. Dem Kardinal warfen die Laien vollständiges Versagen als moralische Instanz vor. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken stellte sich ausdrücklich hinter die Kölner.
Woelki steht seit Monaten massiv im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der Kritik. Er hatte die Veröffentlichung eines Gutachtens einer Münchner Anwaltskanzlei zur Aufarbeitung des Missbrauchskandals im Erzbistum unterbunden. Außerdem gibt es gegen ihn selbst einen Vertuschungsverdacht. Obwohl der Verdacht seit Wochen dem Vatikan vorliegt, äußerte sich Papst Franziskus noch nicht dazu.
Der Vorsitzende des Kölner Diözesanrats, Tim Kurzbach, nannte es in einer Erklärung "schier unglaublich, wie sich die Leitung des Erzbistums verhält". "Wir befinden uns in der größten Kirchenkrise, die wir alle je erlebt haben", befand er. Kurzbach forderte deshalb, dass die Verantwortlichen "endlich" Verantwortung übernehmen müssten. Der Diözesanrat warf Woelki dabei vor, dieser habe "als moralische Instanz vollständig versagt" und zeige "bis heute keine Haltung".
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erklärte sich solidarisch mit der Stellungnahme aus Köln. Die Solidaritätserklärung erfolge nicht zuletzt wegen der Ausstrahlung der Kölner Vorgänge auf die gesamte katholische Kirche in Deutschland, erklärte ZdK-Präsident Thomas Sternberg. Sternberg zollte dem Diözesanratsvorsitzenden dabei Respekt für seine deutlichen Worte. Die Forderung nach Übernahme persönlicher Verantwortung sei "folgerichtig und absolut notwendig".
In einem Brandbrief an Woelki, über den der "Kölner Stadt-Anzeiger" am Donnerstag berichtet hatte, beklagten 34 Pfarrer einen "Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust". Das Erzbistum Köln sieht sich mit einer Welle von Kirchenaustritten konfrontiert.
Nach der Aufkündigung der Zusammenarbeit mit Woelki durch den Diözesanrat forderte auch die Bewegung Wir sind Kirche schnelles Handeln. "Jeder Tag, an dem im Kölner Erzbistum die Unklarheit über das zurückgehaltene Missbrauchsgutachten andauert, ist einer zu viel - alle Katholiken in Deutschland warten auf das Erzbistum", sagte Wir-sind-Kirche-Sprecher Christian Weisner der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf.
Weisner nannte es "völlig unverständlich und skandalös", wie die Bistumsleitung mit dem Gutachten umgehe. Der Vertrauensschaden in Köln, aber auch für die Kirche in Deutschland sei enorm. "Solange keine Umkehr der Kölner Bistumsleitung wenigstens erkennbar ist, solange wirkt ihr Handeln oder besser Nichthandeln verheerend", sagte Weisner.
by Ina FASSBENDER