108840:

Offenbar knappes Ja zu Verhüllungsverbot in der Schweiz

Vorstoß richtet sich vor allem gegen Burka- und Nikab-Trägerinnen

Bei der Abstimmung in der Schweiz über ein Verhüllungsverbot in der Öffentlichkeit hat sich ein knappes Ja abgezeichnet. Laut Hochrechnungen votierten rund 52 Prozent der Schweizer am Sonntag für den umstrittenen Vorstoß, der vor allem auf muslimische Nikab- und Burka-Trägerinnen abzielt. Bei zwei weiteren Abstimmungen ging es um eine elektronische Identität, die landesweit anerkannt werden sollte, sowie um ein Palmöl-Handelsabkommen mit Indonesien.

Die Initiative zum Verhüllungsverbot kam vom rechtskonservativen "Egerkinger Komitee", das der Schweizer Volkspartei (SVP) nahesteht. Obwohl sie in dem Vorstoß nicht explizit erwähnt werden, richtet sich die Initiative vor allem gegen die muslimischen Kopfverhüllungen Burka und Nikab.

Um angenommen zu werden, mussten sowohl die Mehrheit der Abstimmenden als auch die Mehrheit der 26 Kantone der Initiative zustimmen. Zwei Stunden nach der Schließung der Wahllokale veröffentlichte Hochrechnungen der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaften (SRG) und des Instituts gfs.bern sagten 52 Prozent Ja-Stimmen voraus. Die Fehlerquote lag jedoch noch bei rund zwei Prozentpunkten.

Sollte die Initiative angenommen werden, würde sich die Schweiz den Ländern Frankreich, Österreich, Bulgarien, Belgien und Dänemark anschließen, in denen eine Vollverschleierung verboten ist. Im Falle einer Ablehnung tritt automatisch ein Gegenvorschlag in Kraft. Demnach soll bei Identitätskontrollen, etwa in Behörden oder im Personenverkehr, das Gesicht unverhüllt gezeigt werden müssen.

Bei den Wahlaufrufen für ein Ja wurde unter mit dem Slogan "Stoppt den radikalen Islam!" geworben. In der Gegenkampagne wurde die Initiative als "absurd", "überflüssig" und "islamfeindlich" bezeichnet. Gegner der Initiative kritisieren, dass das Tragen von Burka und Nikab in der Schweiz kaum verbreitet ist. Auch die Regierung und das Parlament in Bern lehnten die Einführung des Verhüllungsverbots mit der Begründung ab, dass die Verschleierung in der Realität der Schweiz kein Problem sei.

Es gebe nur wenige Dutzend Burka- oder Nikab-Trägerinnen in der Schweiz, sagte die feministische Aktivistin Myriam Mastour am Sonntag im Sender RTS. Sie warnte vor einer "Trivialisierung der fremdenfeindlichen und rassistischen Atmosphäre" gegenüber Muslimen im Land, sollte es zu dem Verhüllungsverbot kommen.

Dem widersprach Jean-Luc Addor, der bei der Abstimmung mit "Ja" gestimmt hatte. Die Initiative stelle religiöse Praktiken von Muslimen nicht infrage, sagte Addor, der auch Mitglied der SVP ist, der Nachrichtenagentur AFP. Vielmehr gehe es darum, "die Werte unserer Zivilisation" zu verteidigen.

In zwei Schweizer Kantonen gibt es bereits ein Verhüllungsverbot. Auch in landesweiten Abstimmungen ist der Umgang mit dem Islam immer wieder Thema. 2009 stimmten die Schweizer mehrheitlich dafür, den Bau von Minaretten zu verbieten. Dies hatte in zahlreichen arabischen Ländern Empörung ausgelöst.

Ein knappes Ja gab es am Sonntag laut Hochrechnungen auch in der Abstimmung um das Palmöl-Handelsabkommen mit Indonesien. 51 Prozent stimmten demnach dafür. Abgelehnt wurde den Hochrechnungen zufolge dagegen die Einführung der landesweit anerkannten elektronischen Identität: 64 Prozent der Abstimmenden stimmten mit Nein.

by Fabrice COFFRINI