77925:

Österreichische Polizei durchsucht Kanzleramt und ÖVP-Zentrale in Wien

Berichte: Regierungschef selbst unter den Beschuldigten

Durchsuchungen von Anti-Korruptions-Ermittlern im Kanzleramt, im Finanzministerium und bei der Regierungspartei ÖVP haben Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz in Erklärungsnöte gebracht. ÖVP-Vize-Generalsekretärin Gaby Schwarz nannte den Polizei-Einsatz bei der Partei am Mittwoch zwar einen "Showeffekt". Der grüne Koalitionspartner des Konservativen Kurz wies einen solchen Angriff auf die Justiz jedoch zurück. In dem Fall geht es um den Vorwurf, dass mit Steuergeldern aus dem Finanzministerium eine Berichterstattung zugunsten von Kurz in der Boulevard-Zeitung "Österreich" erkauft worden sein soll.

Kurz, gegen den bereits Ermittlungen in einer anderen Affäre wegen Falschaussage laufen, soll den aktuellen Vorwürfen zufolge direkt in den Deal mit der Zeitung "Österreich" verwickelt gewesen sein und wird daher auch selbst beschuldigt, wie der Sender Ö1 und die österreichische Nachrichtenagentur APA unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft berichteten. Die Büros von engen Mitarbeitern von Kurz wurden demnach durchsucht. Ermittelt werde unter anderem auch gegen die Zeitungsgruppe.

Finanzminister Gernot Blümel räumte ein, dass es auch in seinem Hause Durchsuchungen gegeben habe, doch betreffe die Razzia weder ihn persönlich noch seine Amtszeit. Blümels Ministerium war bereits im Februar wegen des Verdachts der Korruption und Bestechlichkeit in einem anderen Fall durchsucht worden.

ÖVP-Vize-Generalsekretärin Gaby Schwarz bestätigte die Durchsuchungen in der Parteizentrale, ohne allerdings nähere Angaben zu machen. Die ÖVP erklärte auch, die Vorwürfen seien im Zusammenhang mit Ereignisse konstruiert worden, die bis zu fünf Jahre zurücklägen. Die Mediengruppe "Österreich" wies die Vorwürfe zurück.

Hintergrund der Durchsuchungen sind österreichischen Medienberichten zufolge Vorwürfe der Bestechung, Bestechlichkeit und Untreue im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Anzeigen und Meinungsumfragen in der Zeitung "Österreich". Demnach sollen Umfragen, die Kurz' Karriere dienlich waren, über Scheinrechnungen aus Steuergeldern finanziert und in der Zeitung veröffentlicht worden sein. Im Gegenzug soll das Finanzministerium in dem Blatt Anzeigen geschaltet und bezahlt haben. Die Vorwürfe beziehen sich nach Angaben von APA zum Großteil auf die Zeit bevor Kurz im Jahr 2017 ÖVP-Chef und Kanzler wurde.

Gegen Kurz laufen bereits Ermittlungen wegen des Verdachts der Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur sogenannten Ibiza-Affäre. Die Ibiza-Affäre hatte im Mai 2019 ein politisches Erdbeben in Österreich ausgelöst, zum Bruch der Regierungskoalition zwischen Kurz' ÖVP und der rechtspopulistischen FPÖ sowie zu vorgezogenen Neuwahlen geführt. Seit Januar 2020 regiert die ÖVP in einer Koalition mit den österreichischen Grünen.

Hintergrund war damals ein heimlich auf Ibiza gedrehtes Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der damalige FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt.

Die oppositionellen Sozialdemokraten von der SPÖ hielten der Partei von Kurz vor, ihr "Kartenhaus" würde nun einstürzen. Zudem attackierten sie die ÖVP wegen ihrer Angriffe auf das Vorgehen der Justiz. Die Grünen gaben vorerst keine Bewertung der Vorgänge ab. Vize-Kanzler Werner Kogler wies allerdings die ÖVP-Aussage zurück, die Durchsuchungen seien nur "Show". Eine Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit der Regierung sah er jedoch nicht.

by Von Jastinder KHERA