Damit Deutschland das selbst gesteckte ehrgeizige Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreicht, muss das Tempo der Emissionsminderung verdreifacht werden. Zu diesem Schluss kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die am Montag einen Wirtschaftsbericht und einen Umweltprüfbericht für Deutschland vorstellte. Darin mahnt die OECD auch eine Beschleunigung der Digitalisierung des öffentlichen Sektors und die vermehrte Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an.
Die CO2-Bepreisung decke in Deutschland zwar 90 Prozent der Treibhausgasemissionen ab, die Preise seien aber "zu niedrig und unterscheiden sich deutlich von Sektor zu Sektor", heißt es im Wirtschaftsbericht für die Bundesrepublik. Außerdem gebe es noch immer viele Subventionen und Steuervergünstigungen für fossile Energieträger, die schrittweise abgebaut werden müssten.
Die OECD übte außerdem Kritik an der Qualität des deutschen Schienennetzes - hier gehöre Deutschland bezüglich der Investitionen "nicht zu den führenden Ländern". Öffentliche Investitionen müssten daher angehoben und die Kontroll- und Signalsysteme rascher digitalisiert werden. Die geringe Verfügbarkeit öffentlicher Ladestationen wiederum bremse die Verbreitung von Elektrofahrzeugen - hier müsse nicht nur der Wettbewerb gefördert, sondern auch der Marktzugang erleichtert werden.
Nötig sei in Deutschland außerdem eine "modernisierte Verwaltung mit weniger Bürokratie und besseren öffentlichen Dienstleistungen", stellte die Organisation fest. Sie empfahl vor diesem Hintergrund nicht nur verbindliche kommunen- und länderübergreifende IT-Standards, sondern auch eine Harmonisierung von Verwaltungsverfahren sowie die Förderung einer gemeinsamen Software.
Beim Arbeitsmarkt nahm die OECD unter anderem die Lage der Älteren in den Blick. Noch immer liege in Deutschland das "effektive Erwerbsaustrittsalter" deutlich unter dem gesetzlichen Rentenalter. Daher müssten Anreize zur Frühverrentung verringert und zugleich ältere Beschäftigte durch Fortbildungen und verbesserte Arbeitsbedingungen gestärkt werden.
Übergeben wurden die Berichte am Montag von OECD-Generalsekretär Mathias Cormann an Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne). Habeck sagte, dass das Land "in der Vergangenheit beim Klimaschutz zu langsam" gewesen sei. Dieser Rückstand müsse nun "entschlossen" aufgeholt werden - etwa über schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren beim Ausbau der erneuerbaren Energien.
Im Umweltprüfbericht lobte die OECD unter anderem die rasche Reaktion Deutschlands auf die Energiekrise - das Land habe seine Abhängigkeit von Russland "rapide" verringert und seine Bezugsquellen diversifiziert. Da das Land sowohl aus der Kohle- als auch der Atomenergie aussteige, müsse es aber den Ausbau der Erneuerbaren "weiter beschleunigen".
Die OECD geht für Deutschland in diesem Jahr von einem leichten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 0,3 Prozent aus. Im kommenden Jahr erwartet die Organisation dann einen Anstieg von 1,3 Prozent.
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