Wenige Tage vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden hat Nordkorea bei einer Militärparade eine neue ballistische Rakete vorgeführt. Wie nordkoreanische Staatsmedien am Freitag berichteten, kann die in Anwesenheit von Machthaber Kim Jong Un zur Schau gestellte Rakete von U-Booten aus abgefeuert werden. Mit der Militärparade will Pjöngjang offenbar ein Zeichen der Stärke an die USA senden, die Kim kürzlich als "größten Feind" des Landes bezeichnet hatte.
Die Militärparade in Pjöngjang fand am Donnerstagabend aus Anlass des Kongresses der regierenden Arbeiterpartei statt, bei der Kim einen Ausbau des nordkoreanischen Atomwaffenarsenals angekündigt hatte. Die staatliche Nachrichtenagentur KCNA bezeichnete die neue Rakete als die "mächtigste Waffe der Welt". Mit ihr sei "kraftvoll die Macht" der nordkoreanischen Streitkräfte demonstriert worden.
Bei der Parade marschierten tausende Soldaten auf, Panzer rollten über den Kim-Il- Sung-Platz und Kampfjets flogen über das Zentrum der Hauptstadt. Die Armee präsentierte vier Exemplare der neuen U-Boot-Raketen. Kim hatte bei dem Parteikongress gesagt, dass Nordkorea Pläne zum Bau eines atomar angetriebenen U-Boots fertiggestellt habe. Es dürfte aber Jahre dauern, bis ein solches U-Boot einsatzfähig ist.
Ein mit Raketen bestücktes Atom-U-Boot würde die nordkoreanischen Streitkräfte in die Lage versetzen, Überraschungsangriffe etwa auf die USA zu starten oder Attacken auch dann noch zu verüben, wenn ihre Bodentruppen bereits außer Gefecht gesetzt wurden.
Laut KCNA wurden bei der Militärparade auch Raketen präsentiert, die in der Lage seien, "Feinde in präventiver Weise außerhalb des Territoriums auszulöschen". Diese Wortwahl deutet darauf hin, dass die Reichweite dieser Raketen womöglich über die koreanische Halbinsel hinausreichen und sich bis mindestens nach Japan erstrecken könnte.
Die Vorführung der neuen U-Boot-Raketen lässt sich als Demonstration der Stärke in Richtung des neuen US-Präsidenten Biden interpretieren, der am Mittwoch in sein Amt eingeführt wird. Die USA haben 28.500 Soldaten in Südkorea stationiert und auch eine bedeutsame Militärpräsenz in Japan.
Nach Einschätzung von Experten könnte Kim mit seinen Signalen der Konfliktbereitschaft Konzessionen von Biden zu erreichen versuchen. Die nordkoreanische Wirtschaft leidet schwer unter den internationalen Sanktionen, die wegen des Atom- und Raketenprogramms gegen das Land in Kraft sind. Die ökonomischen Probleme werden noch durch die Abschottungsmaßnahmen verschärft, die sich das Land in der Corona-Pandemie selbst auferlegt hat.
Kim hatte in den vergangenen Jahren auf eine Annäherung an US-Präsident Donald Trump gesetzt, um eine Aufhebung von Sanktionen zu erreichen. Beide Staatenlenker trafen sich drei Mal persönlich. Das letzte Gipfeltreffen zwischen Trump und Kim im Februar 2019 in Hanoi scheiterte jedoch.
Seitdem liegen die Verhandlungen zwischen Washington und Pjöngjang über einen Abbau des nordkoreanischen Atomprogramms auf Eis. Auch die Spannungen zwischen Nord- und Südkorea verschärften sich wieder.
Der nordkoreanische Machthaber hatte Biden in der Vergangenheit scharf attackiert. Unter anderem nannte Kim den ehemaligen US-Vizepräsidenten einen "tollwütigen Hund". Biden wiederum bezeichnete Kim während des US-Präsidentschaftswahlkampfs als "Verbrecher".
by Von Sebastien BERGER