Die Regierung der britischen Provinz Nordirland hat am Donnerstag in einer Dringlichkeitssitzung die jüngste Gewalt in einer parteiübergreifenden Erklärung verurteilt. Die Gewalt sei "völlig inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen", heißt es in der Erklärung, die in Belfast veröffentlicht wurde. Bei den Unruhen der vergangenen Tage waren mehr als 50 Polizisten verletzt worden. Am Donnerstagabend kam es erneut zu Ausschreitungen. Der britische Premierminister Boris Johnson zeigte sich "zutiefst besorgt". Er und sein irischer Amtskollege Micheal Martin riefen zu "Ruhe" auf.
Die Regierung Nordirlands kam am Donnerstag zusammen, um die Unruhen zu verurteilen. "Zerstörung, Gewalt und die Androhung von Gewalt sind völlig inakzeptabel und nicht zu rechtfertigen, welche Sorgen auch immer in den Gemeinschaften bestehen mögen", hieß es in der gemeinsamen Erklärung von britischen Unionisten, Nationalisten und anderen Parteien.
Außer dutzenden Polizisten wurde auch ein Busfahrer verletzt, dessen Bus in der Nacht zum Donnerstag mit einer Brandbombe angegriffen wurde. Die gesetzgebende Versammlung unterbrach die Osterpause für eine Dringlichkeitsdebatte über die Unruhen.
Die politischen Positionen seien "sehr unterschiedlich", hieß es in der parteiübergreifenden Erklärung. Aber "wir sind alle vereint in der Unterstützung für Recht und Ordnung". Diese Unterstützung gelte auch für die Polizisten, die sich dem "Unglück" entgegenstellten, um "andere zu schützen".
Trotz der Aufrufe setzten sich die Unruhen am Donnerstagabend fort: Ordnungskräfte wurden mit Molotowcocktails und Steinen angegriffen, während sie versuchten, die gegenerischen Lager voneinander fernzuhalten.
"Der Weg, Differenzen zu lösen ist durch Dialog, nicht durch Gewalt oder Kriminalität", schrieb der britische Premier Johnson am Mittwochabend beim Onlinedienst Twitter. Auch Nordirlands Regierungschefin Arlene Foster verurteilte die Gewalt: "Das ist kein Protest. Das ist Vandalismus und versuchter Mord", erklärte Foster.
Irlands Premierminister Martin und sein britischer Amtskollege Johnson sprachen am Donnerstag bei einem Telefongespräch "über die besorgniserregenden Entwicklungen in Nordirland". Beide betonten, dass "Gewalt inakzeptabel ist" und riefen "zur Ruhe auf", wie das Büro des irischen Regierungschefs mitteilte.
Johnson und Martin seien sich einig, dass "der Weg nach vorne über den Dialog" erfolgen müsse. Auch das Weiße Haus veröffentlichte am Donnerstag eine Stellungnahme zu der Gewalt. Washington zeigte sich besorgt über die Ausschreitungen und mahnte zur Ruhe.
In Nordirland wächst die Unzufriedenheit mit den Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU, der am 1. Januar vollständig vollzogen wurde. Die Unionisten lehnen die Vereinbarung zwischen London und Brüssel ab, wonach aus Großbritannien nach Nordirland eingeführte Waren kontrolliert werden müssen.
Die Regelung soll verhindern, dass es zwischen Nordirland und der zur EU gehörenden Republik Irland wieder eine geschlossene Grenze gibt, da dies das Karfreitagsabkommen in Gefahr bringen würde. Dieses war 1998 geschlossen worden, um den jahrzehntelangen gewaltsamen Konflikt zwischen pro-britischen Protestanten und den nach Unabhängigkeit von London strebenden Katholiken zu beenden. Seit vergangener Woche kam es wiederholt zu Ausschreitungen.
by Von Joe Stenson und Paul Faith