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Niederländer geben Rutte Mandat für vierte Amtszeit

Erste Gespräche über Koalitionsbildung am Nachmittag

Die Niederländer haben ihrem seit zehn Jahren regierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte das Mandat für eine vierte Amtszeit gegeben. Ruttes Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) kommt Nachwahlbefragungen zufolge auf 35 der 150 Sitze im Parlament. Zweiter großer Gewinner ist die Mitte-links-Partei D66 mit 26 Sitzen. Die Parteichefs wollten sich am Donnerstagnachmittag mit Parlamentspräsidentin Khadija Arib zu ersten Gesprächen über eine mögliche Koalitionsbildung treffen, wie die Nachrichtenagentur ANP berichtete.

Rutte sagte, es sei "offensichtlich", dass seine Partei mit der D66 über die Bildung einer Koalition sprechen werde. Er würde "auch sehr gerne mit der CDA arbeiten", der christdemokratischen Partei von Finanzminister Wopke Hoekstra. Die CDA war bisher drittstärkste Kraft im Parlament, verlor nun aber fünf Mandate und kam nur noch auf 14 Sitze. Beide Parteien gehörten der bisherigen Vier-Parteien-Koalition von Rutte an.

Die rechtspopulistische Anti-Islam-Partei PVV von Geert Wilders, bislang zweitstärkste Kraft im Parlament in Den Haag, landete auf Platz drei (17 Sitze). Die Anzahl der Sitze basiert auf Prognosen niederländischer Medien, bislang wurden etwa 88 Prozent der Stimmen ausgezählt.

Das rechtspopulistische Forum für Demokratie von Thierry Baudet schnitt unerwartet gut ab und holte acht Sitze, zwei mehr als bislang. Parteichef Baudet hatte als Einziger trotz der Corona-Pandemie Wahlveranstaltungen abgehalten und war zudem mit Kommentaren gegen Impfungen aufgefallen. Rutte hatte bereits vor der Wahl eine Regierungsbildung sowohl mit Baudet als auch mit Wilders ausgeschlossen.

Um die 150 Sitze im Parlament konkurrierten rekordverdächtige 37 Parteien. 17 schafften nun den Einzug ins Parlament - zwei mehr als bisher. Angesichts der zersplitterten Parteienlandschaft könnten sich die Koalitionsverhandlungen monatelang hinziehen. Welches Regierungsbündnis am Ende dieser Gespräche stehen wird, ist völlig offen.

Sollte er bis 2022 im Amt sein, wäre Rutte der am längsten amtierende Ministerpräsident in der Geschichte der Niederlanden. "Ich habe die Energie für weitere zehn Jahre", kündigte der Wahlsieger am Mittwochabend nach der dreitägigen Parlamentswahl an. Er räumte ein, dass in den vergangenen Jahren nicht alles gut gelaufen sei. Die Schlüsselfrage sei nun, wie das Land nach der Corona-Pandemie "wieder aufgerichtet" werden könne.

Experten hatten damit gerechnet, dass Rutte sein Umgang mit der Corona-Pandemie zugute kommen würde. Die Pandemie hatte im Wahlkampf zuvor dominierende Themen wie die Migrationspolitik verdrängt.

Die niederländische Regierung hatte im Januar wegen eines Skandals um Kinderbeihilfen ihren Rücktritt erklärt, war aber geschäftsführend im Amt geblieben. Die Behörden hatten tausenden Eltern zu Unrecht Betrug bei Kinderbeihilfen vorgeworfen und mit Rückforderungen viele Familien in finanzielle Not gebracht.

An Rutte, der von Kritikern "Teflon-Mark" genannt wird, prallte der Skandal offenbar ab. "Ich stelle fest, dass das Ergebnis dieser Wahl ist, dass die Wähler der Niederlande meiner Partei ein überwältigendes Vertrauensvotum gegeben haben", sagte Rutte nach Bekanntgabe der Prognosen.

by Von Charlotte VAN OUWERKERK