Vier Wochen nach der Wahl in Polen ist das neu gewählte Parlament am Montag in Warschau zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sollte zunächst die Regierung auflösen, die noch übergangsweise im Amt bleiben wird. Sowohl die bisher regierende rechtsnationalistische PiS als auch die pro-europäische Opposition hoffen darauf, die neue Regierung bilden zu können.
Die PiS war bei der Parlamentswahl am 15. Oktober zwar stärkste Kraft geworden, errang aber nur 194 von 460 Mandaten. Es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass sie mit anderen Partnern eine parlamentarische Mehrheit zustande bekommt. Ungeachtet dessen erteilte Präsident Andrzej Duda der PiS den Auftrag zur Regierungsbildung.
Dagegen hätten die oppositionelle liberal-konservative Bürgerkoalition von Ex-Regierungschef Donald Tusk und ihre beiden Koalitionspartner - das Mitte-Bündnis Dritter Weg und die Linken - mit 248 Parlamentssitzen eine Mehrheit. Sie bereiten sich auf eine Regierungsübernahme vor und unterzeichneten bereits einen Koalitionsvertrag, müssen aber zunächst das erwartete Scheitern der PiS-Bemühungen abwarten.
"Dies ist eine beispiellose Situation in der mehr als 30-jährigen Geschichte des demokratischen Polen", sagte Stanislaw Mocek, Soziologe und Präsident der Collegium Civitas-Universtät in Warschau. "Die ersten Abstimmungen am Montag werden das wahre Machtverhältnis in der neuen Legislative zeigen", sagte er.
Die neu gewählten Abgeordneten müssen auch einen neuen Vorsitzenden für das Unterhaus wählen - ein erster Test der neuen Machtverhältnisse.
Die PiS hat angekündigt, "alles zu tun", um innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen 14 Tage eine neue Regierung zu bilden und diese dann ebenfalls binnen 14 Tagen eine Vertrauensabstimmung gewinnen zu lassen. "Diese Mission gilt als zum Scheitern verurteilt", sagte Mocek. Die PiS spiele nur "auf Zeit", um zusätzliche Gelder zu erhalten, ihre Mitglieder mit Posten zu versorgen und "eine sanfte Landung" sicherzustellen, wenn sie in die Opposition gehe.
Aus Sicht des Politikexperten Jaroslaw Kuisz bleibt der PiS nur, auf ihre nächste Chance zu "warten". In der Zwischenzeit könne sie "so oft wie möglich Sand ins Getriebe streuen" und "Zwietracht säen zwischen den Verbündeten" der pro-europäischen Koalition, die voraussichtlich die nächste Regierung stelle.
Die pro-europäische Opposition hatte am Freitag einen Koalitionsvertrag unterzeichnet und erklärt, sie sei zur Regierungsübernahme bereit. "Ab jetzt sind wir bereit, Verantwortung für unser Land und für die kommenden Jahre zu übernehmen", sagte Tusk.
Wlodzimierz Czarzasty, Ko-Vorsitzender der Linken, sagte, "das Wichtigste ist nun, Polen tolerant, offen, gesetzestreu, verantwortungsbewusst zu machen". Warschau müsse einen "starken Platz" innerhalb der Europäischen Union einnehmen.
Die Vereinbarung enthält die Positionen der drei Koalitionspartner zu Themen wie Wirtschaft, Umwelt, Wiederherstellung guter Beziehungen zur EU, eine Reform staatlicher Medien, Trennung von Kirche und Staat sowie Abtreibung.
Sollte der amtierende Ministerpräsident Morawiecki mit der Regierungsbildung scheitern, dürfte Tusk vom Parlament zum Regierungschef bestimmt werden. Er hatte dieses Amt bereits von 2007 bis 2014 inne.
Beobachter erwarten, dass die jetzige Opposition erst Mitte Dezember in der Lage sein wird, die Regierungsgeschäfte zu übernehmen.
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