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Netanjahu will umstrittene Justizreform weiter vorantreiben

Nach dem Scheitern von Kompromiss-Gesprächen mit der Opposition will Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die umstrittene Justizreform trotz anhaltender Massenproteste weiter vorantreiben. "Wir werden diese Woche zusammenkommen und mit den praktischen Maßnahmen beginnen", sagte Netanjahu zu Beginn einer Kabinettssitzung in Jerusalem am Sonntag. Er wolle die Pläne "auf eine maßvolle und verantwortungsvolle Weise" fortsetzen, fuhrt er fort, ohne Einzelheiten zu nennen.

Oppositionsführer Jair Lapid warnte daraufhin im Onlinedienst Facebook: "Wenn Netanjahu die Justizreform einseitig vorantreibt, wie er angekündigt hat, wird er feststellen, dass weniger als die Hälfte Israels hinter ihm als Regierungschef steht."

Die Pläne der ultrarechten Regierung Netanhajus zum Umbau der Justiz haben beispiellose Massenproteste und die größte innenpolitische Krise in Israel seit Jahren ausgelöst. Seit Monaten gehen tausende Menschen gegen das Vorhaben der ultrarechten Regierung Netanjahus auf die Straße. Auch am Samstag demonstrierten tausende Menschen in Tel Aviv und anderen Städten des Landes.

Die Reform zielt darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken. Eines der Kernelemente betrifft die Ernennung der Obersten Richter. Bislang stimmte über die Zusammensetzung des Obersten Gerichts ein vom Justizminister beaufsichtigtes Gremium aus Politikern, Richtern und Mitgliedern der Anwaltskammern ab. Die geplante Neuregelung würde der Regierung die Kontrolle darüber übertragen. 

Netanjahu hatte den Gesetzgebungsprozess im März unterbrochen und parteiübergreifende Kompromiss-Gespräche aufgenommen. Die beiden wichtigsten Oppositionsführer, Jair Lapid und Benny Gantz, setzten jedoch ihre Teilnahme an den Gesprächen am Mittwoch aus. 

Die Spitzenpolitiker des Landes gaben sich gegenseitig die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen. Netanjahu warf den Oppositionsführern "Scheingespräche" vor. Lapid seinerseits sagte, der Regierungschef habe nur "vorgetäuscht, verhandeln zu wollen".

Netanjahu, gegen den ein Prozess wegen Korruption läuft, stellt die Reform als notwendig dar, um das Gleichgewicht in der Gewaltenteilung wiederherzustellen. Kritiker befürchten jedoch eine Schwächung der unabhängigen Justiz und eine Aushöhlung der Demokratie. 

kbh/yb