Die russische Opposition will auch nach dem harten Durchgreifen der Sicherheitsbehörden bei den Protesten am Samstag nicht lockerlassen: Verbündete des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny riefen am Montag zu erneuten landesweiten Demonstrationen am kommenden Wochenende auf. Westliche Regierungen verschärften angesichts der Massenfestnahmen den Ton gegenüber Moskau. Die EU will aber erst in einigen Wochen über mögliche Sanktionen wegen der Verhaftung Nawalnys entscheiden.
Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow rief die Menschen in "allen Städten Russlands" auf, am kommenden Sonntag erneut auf die Straße zu gehen. "Für Nawalnys Freilassung. Für die Freiheit aller. Für Gerechtigkeit", twitterte er.
Am Samstag hatte es in Russland regierungskritische Proteste von beispiellosem geographischem Ausmaß gegeben. Von Sankt Petersburg im Westen bis Wladiwostok im Osten demonstrierten die Menschen für die Freilassung Nawalnys und gegen Staatschef Wladimir Putin.
Nawalnys Team hatte vergangene Woche ein Video zu einem Luxus-Palast an der russischen Schwarzmeer-Küste veröffentlicht, der angeblich Putin gehören und durch Bestechungsgelder finanziert worden sein soll. Das Anwesen soll demnach 39 Mal so groß sein wie Monaco und über ein Casino, eine Eisbahn und Weinberge verfügen.
Der Kreml-Chef bestritt die Vorwürfe. "Nichts von dem, was hier als mein Besitz aufgeführt wird, gehört mir oder meinen engen Verwandten", sagte Putin während einer Online-Diskussion mit Studenten am Montag. Er verteidigte das Vorgehen gegen die Demonstranten. Zwar hätten russische Staatsbürger das Recht, ihre Meinung zu äußern, jedoch müsse dies "im Rahmen des Gesetzes" geschehen.
Zu den Protesten am Samstag aufgerufen hatte Nawalny, der sich seit rund einer Woche in einem Hochsicherheitsgefängnis in Moskau befindet. Er war in der russischen Hauptstadt unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Deutschland festgenommen und in einem Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. In Berlin war Nawalny nach einem Giftanschlag medizinisch behandelt worden.
Seine nächste Anhörung vor Gericht soll am 2. Februar stattfinden. Dabei droht Nawalny die Umwandlung einer Bewährungsstrafe von 2014 in dreieinhalb Jahre Haft. Wolkow betonte, die Forderung nach der Freilassung Nawalnys sei "kraftvoller", wenn die Menschen noch vor der Gerichtsanhörung erneut auf die Straße gehen würden.
Nach Schätzungen der Nachrichtenagentur AFP hatten sich allein in Moskau 20.000 Menschen an den Protesten vom Wochenende beteiligt. Landesweit wurden nach Angaben von Bürgerrechtlern etwa 3700 Demonstranten festgenommen. Laut russischen Staatsmedien wurde ein erster Protestteilnehmer am Montag zu zehn Tagen Haft verurteilt.
Die Bundesregierung verurteilte die Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Die Bürger, die in Russland auf die Straße gegangen seien, könnten sich "auf die verbrieften Rechte in der russischen Verfassung" sowie auf internationale Menschenrechtsverträge berufen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Sie sind unverzüglich auf freien Fuß zu setzen."
Zuvor hatten auch die USA das "harsche Vorgehen" der Sicherheitskräfte verurteilt. Moskau warf seinerseits den Vereinigten Staaten vor, die "illegalen" Proteste durch Beiträge in den Online-Medien unterstützt zu haben.
Die EU-Staaten wollen erst im Februar über das weitere Vorgehen und mögliche Sanktionen entscheiden. Es werde "sehr viel davon abhängen", wie das anstehende Gerichtsurteil gegen Nawalny ausfalle, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nach einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Brüssel. "Dieses Thema wird hier wieder auf den Tisch kommen."
Abgewartet werden soll auch ein Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Moskau, der für Anfang Februar geplant ist. "Unsere Antwort wird von der Entwicklung der Situation abhängen", sagte der Spanier. Einige Mitgliedstaaten sprachen demnach das Thema Sanktionen an. Einen konkreten Vorschlag gebe es aber noch nicht.
by Von Anastasia CLARK