Einen Monat nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny schreitet dessen Genesung im Berliner Universitätsklinik Charité langsam voran. Es gehe ihm immer besser, "aber der Weg ist noch lang", erklärte der 44-Jährige am Samstag in einem Eintrag im Online-Dienst Instagram. Dazu wurde ein Foto gepostet, das zeigt, wie er eine Treppe hinuntergeht. Sein Stabschef Leonid Wolkow sagte derweil, dass der Befehl für den Anschlag auf Nawalny von Russlands Staastchef Wladimir Putin persönlich gekommen sein müsse.
Zwar könne er immer noch nicht selbstständig ein Telefon bedienen und wenn er trinke, "wird das jedes Mal zu einem Spektakel", erklärt Nawalny in dem Eintrag. Die Besserung sei aber deutlich, schließlich habe er vor kurzem noch Menschen nicht erkannt und Sprechen habe ihm große Probleme bereitet.
"Jetzt bin ich ein Typ, dessen Beine zittern, wenn er die Treppe nimmt", erklärte Nawalny weiter. Aber immerhin erkenne er die Treppe. "Vorher hätte ich dumm darauf gestarrt." Jetzt wisse er, dass er sich besser einen Aufzug suchen sollte, scherzte der Russe. Er dankte den Medizinern, dass er "alle Chancen" habe, bald wieder eigenständig auf Instagram posten zu können.
Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau zusammengebrochen. Zunächst wurde der Gegner von Staatschef Putin nach einer Notlandung in einem Krankenhaus in Omsk behandelt, zwei Tage später wurde er auf Drängen seiner Familie und seiner Unterstützer zur Behandlung in die Berliner Universitätsklinik Charité gebracht.
Nach Angaben der Bundesregierung wurde der Oppositionelle "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet, die in der früheren Sowjetunion entwickelt worden war. Die Bundesregierung stützt sich auf die Analyse-Ergebnisse eines Bundeswehr-Speziallabors; Labore in Frankreich und Schweden bestätigten den Befund.
Moskau weist den Verdacht vehement zurück, staatliche russische Stellen könnten Nawalny gezielt vergiftet haben. Nawalnys Stabschef Wolkow hält jedoch die Möglichkeit, dass jemand anders als Russlands Präsident Putin selbst den Anschlag auf den Kreml-Kritiker angeordnet hat, für "überhaupt nicht" plausibel, wie er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte.
Wolkow verwies darauf, dass auf Nowitschok nur das russische Militär Zugriff habe. "Jemand muss also angeordnet haben, es an die Täter auszuhändigen", sagte er dem Bericht zufolge. Es gebe in Russland Befehlsketten, "und jede Person in dieser Kette musste sicher sein, dass die Weitergabe von ganz oben autorisiert ist".
Eine Anordnung von ganz oben hieße im Fall Nawalny eine Anordnung "von Putin", sagte Wolkow weiter. Sanktionen der EU gegen einzelne "korrupte russische Politiker" halte er nachdem Anschlag auf seinen Chef für "eine faire Antwort", fügte er hinzu. Eine Möglichkeit sei dabei das Einfrieren von Konten in Europa.
Ronald Pofalla (CDU), Leiter des Petersburger Dialoges und Infrastrukturvorstand der Deutschen Bahn, warnte vor Maßnahmen, welche die Falschen bestrafen und den Dialog mit Moskau gänzlich abreißen lassen würden. Im Interview mit der "Bild am Sonntag" sprach sich Pofalla zwar dafür aus, den Druck auf Russland zu erhöhen. "Wenn die Russen nicht lückenlos aufklären, sollte Europa neue Sanktionen vorbereiten. Alle Brücken abzureißen, würde die Sache allerdings nur schlimmer machen", sagte er.
Pofalla fügte hinzu: "Wir würden damit die Falschen bestrafen. Gerade der Austausch mit der russischen Zivilgesellschaft ist doch wichtiger, und die ist nicht für den Mordversuch an Alexej Nawalny verantwortlich."
by Handout