Bei ihrem ersten Gipfeltreffen mit US-Präsident Joe Biden haben die Nato-Staats- und Regierungschefs klar Position gegenüber Russland und China bezogen. Russland verstoße weiter gegen Werte und Prinzipien der Allianz sowie gegen internationale Verpflichtungen, heißt es in der am Montag verabschiedeten Abschlusserklärung des Gipfels. Auch China stelle durch sein Verhalten "eine systemische Herausforderung für die regelbasierte internationale Ordnung" dar.
Nach den schwierigen Jahren unter seinem Vorgänger Donald Trump hatte sich US-Präsident Biden nach seinem Amtsantritt klar zur Nato und ihrer Beistandsverpflichtung bei Angriffen bekannt. Aber auch er drängt die europäischen Nato-Mitglieder, stärker China ins Visier zu nehmen. Im Vergleich zu Russland, das ausführlich in der rund 40-seitigen Gipfel Niederschlag fand, blieb es bei China im Wesentlichen bei zwei Absätzen.
Die Nato sei besorgt über eine "Politik des Zwangs", die im Gegensatz zu Grundwerten der Allianz stehe und Bereiche betreffe, "die für die Sicherheit der Allianz relevant sind", heißt es. Peking baue schnell sein Atomwaffenarsenal aus und kooperiere auch "militärisch mit Russland, unter anderem durch die Teilnahme an russischen Übungen im euro-atlantischen Raum."
"Wir müssen da die richtige Balance finden", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu den China-Beschlüssen. "China ist Rivale in vielen Fragen, aber China ist gleichzeitig auch Partner für viele Fragen (...) Und insofern darf man es aber auch jetzt nicht überbewerten."
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte, "dass wir die Ziele nicht verwechseln sollten". Die Nato sei "eine militärische Organisation. Der Inhalt unserer Beziehung zu China ist nicht nur militärisch." Und die Nato konzentriere sich ausdrücklich auf den Nordatlantik. "China hat mit dem Nordatlantik wenig zu tun."
Solange Russland nicht beweise, dass es das Völkerrecht und seine internationalen Verpflichtungen einhalte, könne es auch im Verhältnis zu Moskau keine Rückkehr zum "Business as usual" geben, erklärte der Gipfel unterdessen zwei Tage vor dem ersten Treffen Bidens mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Trotz des stetigen Ausbaus des russischen Raketenprogramms habe die Nato aber "nicht die Absicht, landgestützte Atomraketen in Europa zu stationieren".
Bei Russland wie bei China zeigte sich die Nato zum Dialog bereit. Um sich gegenüber diesen Herausforderungen sowie Bedrohungen wie Cyberangriffen besser aufzustellen, beschlossen die Nato-Staaten, ein überarbeitetes strategisches Konzept auszuarbeiten. Es soll im kommenden Jahr beim nächsten Nato-Gipfel in Spanien verabschiedet werden. Merkel sah in dem Gipfel damit "auch einen Neuanfang".
Darüber hinaus beschloss der Gipfel, dass wie schon bei Cyberangriffen auch Angriffe im Weltraum die Beistandsklausel nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages auslösen können. Hier ist das Bündnis schon länger besorgt, dass China und Russland, aber auch andere Länder Möglichkeiten zur Beeinträchtigung oder gar Zerstörung von Satelliten getestet haben.
Mit Blick auf Afghanistan sprach sich Merkel dafür aus, nach dem Abzug der Nato-Truppen Bilanz zu ziehen, was die "gelungenen und die weniger erfolgreichen Seiten dieser Mission" waren. Der Einsatz habe gezeigt, "dass es doch sehr, sehr viel schwerer ist, ein politisch stabiles Staatswesen aufzubauen, als wir uns das vielleicht vorgestellt haben".
Nach dem Abschluss des Abzugs wollen die Nato-Staaten den Betrieb des Flughafens in der Hauptstadt Kabul weiter sicherstellen. Die Allianz werde in einer Übergangszeit ihre finanzielle Unterstützung für den internationalen Flughafen fortsetzen, hieß es in der Abschlusserklärung. Der Airport sei wichtig für die Aufrechterhaltung von diplomatischen und internationalen Kontakten sowie die Verbindung Afghanistans mit der Welt.
by Von Martin TRAUTH