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Nato will gemeinsam über Afghanistan-Abzug entscheiden

Stoltenberg sieht "Dilemma" - Minister ebnen Weg für erweiterte Irak-Mission

Die Nato-Staaten wollen gemeinsam über einen Abzugstermin aus Afghanistan entscheiden. "Wir werden zusammen gehen, wenn die Zeit reif ist", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag nach Beratungen der Verteidigungsminister der Militärallianz. Dies werde auch an Bedingungen geknüpft sein. Stoltenberg räumte ein, dass sich die Nato bei der Abzugsentscheidung in einem "Dilemma" befinde und erlangte Erfolge gefährdet werden könnten.

US-Präsident Donald Trump hatte Anfang Oktober erklärt, er wolle die verbliebenen US-Soldaten in Afghanistan bis Weihnachten abziehen. Dies hatte für erhebliche Unruhe im Bündnis gesorgt, denn es wäre deutlich früher als bisher erwartet.

In einem mit den radikalislamischen Taliban geschlossenen Abkommen hatten sich die USA verpflichtet, ihre Streitkräfte bis Mai 2021 schrittweise abzuziehen. Im Gegenzug sagten die Taliban Friedensverhandlungen mit der Regierung in Kabul zu.

"Wir haben beschlossen, gemeinsam nach Afghanistan zu gehen", sagte Stoltenberg nach einer Video-Konferenz der Nato-Verteidigungsminister. Nun werde die Nato gemeinsam über einen Abzug befinden.

Voraussetzung sei, dass die Taliban "das inakzeptable Gewaltniveau verringern, um den Weg zu einem Waffenstillstand zu ebnen", sagte Stoltenberg. Zudem müssten die Islamisten "jegliche Verbindungen zu Al-Kaida und anderen Terrorgruppen abbrechen", damit Afghanistan nicht mehr Ausgangspunkt für Terroranschläge in Nato-Ländern werde.

"Die Bundeswehr steht zu ihren Verpflichtungen in Afghanistan", erklärte Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) während der Video-Konferenz im Onlinedienst Twitter. "Ich erwarte weiterhin, dass die Partner gemeinsam das Land verlassen und man sich dazu untereinander abstimmt."

"Es ist klar, dass wir in den kommenden Monaten vor einem Dilemma stehen werden", räumte Stoltenberg ein. Denn wenn die Nato abziehe, riskiere sie, dass die "unter vielen Opfern erreichten Errungenschaften (...) verloren gehen" und Afghanistan "wieder zu einem sicheren Zufluchtsort für internationale Terroristen" werde.

Wenn die Nato aber bleibe, müsse sie sich auf ein langfristiges Engagement einstellen und werde "mit einem verstärkten Kämpfen mit den Taliban konfrontiert" sein, sagte Stoltenberg. "Wir werden die Lage gemeinsam bewerten und dann unsere Entscheidungen treffen."

Im Bündnis wird erwartet, dass konkretere Termine für einen Abzug frühestens beim Treffen der Nato-Außenminister im Dezember beraten werden - und damit nach der US-Präsidentschaftswahl Anfang November.

Seit dem Ende ihres Kampfeinsatzes im Dezember 2014 ist die Nato mit ihrer Ausbildungs- und Unterstützungsmission "Resolute Support" in Afghanistan präsent. Sie umfasst laut Stoltenberg derzeit knapp 12.000 Soldaten. Die Bundeswehr ist aktuell mit rund 1150 Soldaten im Land.

Die Verteidigungsminister gaben am Freitag auch grünes Licht für die erweiterte Nato-Mission im Irak. Damit könnten nun die militärischen Planungen für den Einsatz beginnen, sagte Stoltenberg. Er wollte sich noch nicht auf eine Größe der neuen Mission festlegen. sie werde aber "bedeutend größer" als der aktuelle Einsatz mit rund 500 Soldaten sein.

Die Nato bildet seit 2017 im Irak Sicherheitskräfte aus, um ein Wiedererstarken der Dschihadistenmiliz IS verhindern. Fortan will sie auf Drängen der USA auch einen Teil der Ausbildungsaktivitäten der internationalen Anti-IS-Koalition übernehmen.

by Von Martin TRAUTH