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Nahost-Krieg: EU uneins über humanitäre Feuerpause

Die Europäische Union will eine Ausweitung des Nahost-Kriegs verhindern, ist über die Mittel aber uneins. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerte sich am Montag am Rande eines Treffens mit ihren EU-Kollegen in Luxemburg zurückhaltend zu einer möglichen humanitären Feuerpause, die andere Länder befürworten. UN-Generalsekretär António Guterres hatte am Wochenende am Rande des Nahost-Gipfels in Kairo zu einem vorläufigen Ende der Kämpfe zwischen Israel und der Hamas aufgerufen.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell stellte sich hinter die Forderung: "Persönlich denke ich, dass eine humanitäre (Feuer-)Pause nötig ist, damit die humanitäre Hilfe hereinkommen und verteilt werden kann", sagte er in Luxemburg. Dies sei vordringlich, weil rund die Hälfte der mehr als zwei Millionen Bewohner des Gazastreifens angesichts der erwarteten israelischen Bodenoffensive ihre Häuser hätten verlassen müssen.

Baerbock sprach dagegen von einer "Quadratur des Kreises": "Wir können die humanitäre Katastrophe nicht eindämmen, wenn der Terrorismus von Gaza so weiter geht", sagte sie unter Anspielung auf die Angriffe der radikalislamischen Hamas auf Israel. Es werde dann "keine Sicherheit und keinen Frieden weder für Israel noch die Palästinenser geben".

Der spanische Außenminister José Manuel Albares, dessen Land in diesem Halbjahr die Ministerräte leitet, forderte, die Europäer müssten "mit einer Stimme sprechen". Spanien steht allerdings traditionell den Palästinensern näher als Israel, und auch der Spanier Borrell hatte wegen einseitiger Äußerungen Kritik auf sich gezogen.

Am Donnerstag und Freitag beraten die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel über den Nahost-Krieg. In der vorläufigen Gipfelerklärung, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, heißt es "Der Europäische Rat unterstützt die Forderung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Guterres, nach einer humanitären Pause, um einen sicheren Zugang für die humanitäre Hilfe zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass die Hilfsbedürftigen erreicht werden."

In Berlin wird allerdings befürchtet, ein solcher Passus könne als Infragestellen des israelischen Rechts auf Selbstverteidigung interpretiert werden. Deutschland dürfte deshalb darauf dringen, die Passage bis zum Beginn des EU-Gipfels noch zu ändern oder zu streichen. 

Italiens Außenminister Antonio Tajani sagte dazu in Luxemburg: "Wir können Israel nicht sagen, es darf sich nicht mehr selbst verteidigen, solange die Hamas Raketen auf seine Städte abfeuert." Neben Deutschland äußerten auch Tschechien, Lettland und die Niederlande Bedenken über eine Feuerpause. 

Frankreich hatte dagegen zuvor Zustimmung für eine solche Forderung signalisiert. Präsident Emmanuel Macron reist am Dienstag nach Israel, um mit Regierungschef Benjamin Netanjahu zu sprechen. 

Baerbock flog nach dem EU-Treffen direkt weiter nach New York. Sie nimmt dort am Dienstag an einer offenen Debatte des UN-Sicherheitsrats zum Nahost-Krieg teil. Die Grünen-Politikerin warnte bei ihrer Abreise, die Hamas wolle "einen Keil des Hasses" in die Weltgemeinschaft treiben und den Antisemitismus in der Gesellschaft fördern.

Nach der Sicherheitsrats-Sitzung könnte es eine Vollversammlung geben, bei der die Gräben in der Weltgemeinschaft offen zu Tage zu treten drohen. Es könnte dann unter anderem Wortmeldungen aus dem Iran geben, der hinter den Hamas-Attacken auf Israel vermutet wird. 

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte, er habe am Samstag mit seinem iranischen Kollegen telefoniert und ihm deutlich gemacht, dass der "Iran Hebel in der Hand hat, um mitzuhelfen, dass es keine Eskalation wird, die dann den ganzen Nahen Osten betreffen würde". Der Iran unterstützt auch die Schiitenmiliz Hisbollah. Baerbock hatte zuletzt gewarnt, diese könnte den Libanon mit in den Krieg hineinziehen.

lob/jes