Die Ergebnisse der Spitzenrunde zur Impfkampagne sind am Dienstag überwiegend mit Ernüchterung kommentiert worden. Grüne, Linke und FDP werteten den Gipfel als Fehlschlag. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, es sei klar geworden, dass es bis in den April hinein "noch harte Wochen der Knappheit" beim Impfstoff geben werde. Bereits kommende Woche steht das nächste Bund-Länder-Spitzentreffen an - dann soll es um die Fortsetzung des Lockdowns gehen.
Minister Spahn bat die Bevölkerung nach dem Impfgipfel weiter um Geduld: Es werde auch in den kommenden Wochen noch eine deutliche Unterversorgung mit Impfdosen gegen das Coronavirus geben, sagte er in der ARD. Erst im Verlauf des zweiten Quartals werde dann "nennenswert mehr Impfstoff" zur Verfügung stehen.
CSU-Chef Markus Söder sprach mit Blick auf die Impfkampagne von enttäuschten Hoffnungen. "Zu Beginn der Impfungen war der Eindruck da, jetzt geht es los", sagte der bayerische Ministerpräsident in der ARD. "Jetzt ist, glaube ich, die Dämpfung und die Enttäuschung da". Der Impfgipfel habe "zwei Ergebnisse gebracht: Klarheit, aber auch Ernüchterung".
Söders Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wertete die Ergebnisse des Impfgipfels als teilweise "nicht befriedigend". Nach den Gesprächen gebe es "nicht so viel mehr Planungssicherheit als wir vorher schon hatten", sagte Holetschek im Bayerischen Rundfunk.
Die Planungssicherheit bei den Impfstofflieferungen war eines der zentralen Themen des Gipfels am Montag. Die Länder klagen darüber, dass sie derzeit keinen genauen Überblick über die anstehenden Impfstoff-Lieferungen haben, was die Organisation von Impf-Terminen erschwere. Bund und Länder verständigten sich auf einen nationalen Impfplan, der geplante Lieferungen verzeichnen und - wo das nicht möglich ist - Lieferszenarien modellieren soll.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die Beschlüsse als "Impfplacebo". Das Ergebnis sei "vor allem eine Beruhigungspille an die Bevölkerung", sagte er den Funke-Zeitungen. Nötig gewesen wäre ein "klarer Plan der Bundesregierung, wie sie Deutschland aus dem Impfdesaster führen will", sagte er.
Auch Grünen-Chef Robert Habeck zeigte sich enttäuscht über die Ergebnisse des Impfgipfels. Die Teilnehmer hätten eine "Strategie erklären" sollen - es sei aber nur bei der Ankündigung einer Strategie geblieben. Er drängte erneut darauf, dass jeder Impfberechtigte schriftlich zu einem Termin eingeladen werde.
FDP-Chef Christian Lindner forderte eine "Tempoprämie" für Pharma-Unternehmen, die den Corona-Impfstoff schneller liefern als bislang geplant. Eine solche Prämie wäre ein "marktwirtschaftlicher Anreiz", um die Versorgung mit den knappen Stoffen zu verbessern. Lindner forderte zudem nach dem Auslaufen der aktuellen Lockdown-Maßnahmen Mitte Februar erste Lockerungen - etwa die Öffnung von Schulen und Kitas sowie von Friseuren.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die Resultate des Impfgipfels als unzureichend. Die Bund-Länder-Konferenz sei "die Steigerung des Unverbindlichen" gewesen, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch den Funke-Blättern: "So kommt Deutschland nicht aus der Pandemie-Lethargie heraus."
Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, wertete den Impfgipfel als Fehlschlag. "Der Impfgipfel konnte wenig bewegen und diente eigentlich nur dazu, parteipolitische Schäden des Versagens auf europäischer Ebene sowie des schlechten Managements auf Ebene der Bundesländer zu minimieren", sagte Hüther der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".
by HANNIBAL HANSCHKE