Das Thema Fachkräftemangel ist am Montag am Bundesgerichtshof angekommen: Der Notarsenat verhandelte in Karlsruhe über die Altersgrenze für Notare. Derzeit scheidet ein Notar automatisch aus dem Amt, wenn er 70 Jahre alt geworden ist. (Az. NotZ (Brfg) 4/22)
Ein Anwaltsnotar aus Nordrhein-Westfalen will das nicht akzeptieren. Bei einem Anwaltsnotar handelt es sich um jemanden, der sowohl als Rechtsanwalt als auch - dank einer Zusatzausbildung - als Notar tätig ist. Der Mann ist Jahrgang 1953 und würde in diesem Jahr aus dem Beruf ausscheiden.
Er will aber weiterarbeiten. Dabei argumentiert er einerseits juristisch, mit dem europäischen Verbot der Altersdiskriminierung. Und andererseits praktisch. Die Altersgrenze führe dazu, "dass sich das Anwaltsnotariat ausdünnt", sagte er vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Viele Stellen könnten nicht mehr besetzt werden, da es deutlich weniger Nachwuchs in dem Beruf gebe.
Ein Vertreter der Notarkammer sagte dagegen, dass die Zahlen beim Anwaltsnotariat zwar deutlich zurückgegangen seien - dass der Bedarf der Bevölkerung aber dennoch gedeckt werden könne. Bei den hauptberuflichen Notaren gebe es keinen Bewerbermangel, führte er aus.
Die Altersgrenze für Notare war 1991 eingeführt worden. Sie soll unter anderem sicherstellen, dass die Chancen zwischen den Generationen ähnlich verteilt sind und auch jüngere Bewerberinnen oder Bewerber zum Zug kommen. Außerdem sei sie notwendig, um Neubesetzungen planbar und vorhersehbar zu machen, argumentierte das Oberlandesgericht Düsseldorf. Zu dessen Gerichtsbezirk gehört der Kläger.
In den vergangenen Jahren hat sich der Bundesgerichtshof schon mehrmals mit der Altersgrenze befasst und sie bislang bestätigt. Der Anwaltsnotar berief sich nun aber auf ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshof aus dem Juni 2021, das eine starre Altersgrenze in Italien als diskriminierend kritisierte. Dabei ging es allerdings um das Auswahlverfahren für Notare, nicht um den Eintritt in den Ruhestand.
Würde die Stelle des Klägers ganz wegfallen, wäre die Arbeit in der Region für die verbliebenen Kolleginnen und Kollegen trotzdem wohl "noch zu stemmen", schätzte der Vertreter der Notarkammer. Der Anwaltsnotar argumentierte dagegen, dass dort in den vergangenen Jahren nicht alle Stellen hätten besetzt werden können. "Warum soll ich dann gehen?" fragte er.
Über diese Frage will der Notarsenat in Karlsruhe nun ausführlich beraten. Eine Entscheidung soll in den kommenden zwei Wochen fallen.
smb/ilo