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Mindestens tausend Flüchtlinge demonstrieren auf Lesbos gegen neues Lager

Großaufgebot an Sicherheitskräften auf griechischer Insel - Armee baut Zelte auf

Begleitet von wütenden Protesten von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager Moria hat die griechische Armee begonnen, neue Zelte für die obdachlosen Menschen auf der Insel Lesbos zu errichten. Mindestens tausend Flüchtlinge forderten am Freitag, die Insel Lesbos verlassen zu dürfen. Sie skandierten unter anderem "Freiheit" und "Deutschland". Tausende Menschen hatten zuvor die dritte Nacht in Folge auf Straßen oder in Olivenhainen verbracht.

Die Demonstranten hielten Schilder mit der Aufschrift "Wir brauchen Frieden" oder "Wir wollen kein neues Lager" hoch. Sie marschierten auf der Straße von dem abgebrannten Lager in Richtung des Hafens der Inselhauptstadt Mytilini. Ein großes Aufgebot an Sicherheitskräften blockierte den Zugang zum Hafen, in dessen Nähe die neuen Zelte errichtet werden. Während die Polizei von knapp tausend Demonstranten sprach, gaben Medien vor Ort ihre Zahl mit rund 2000 an.

"Wir sind hungrig und durstig, wir haben keine Toiletten oder Duschen", schilderte die kongolesische Asylsuchende Patricia Bob ihre verzweifelte Lage. "Vielleicht beschließen sie, uns durchzulassen. Wir wollen nicht hier bleiben, wir wollen nur Frieden haben, wir wollen menschenwürdige Lebensbedingungen", sagte die Mutter von zwei Kindern.

Neben den Flüchtlingen lehnen auch viele Inselbewohner die Errichtung neuer Zelte ab. Straßensperren der Einheimischen überwandte das Militär unter anderem aus der Luft, um Material an eine Stelle drei Kilometer vom Hafen Mytilinis entfernt zu bringen, wo die Zelte aufgebaut wurden.

Mit dem Errichten der Straßensperren wollten Inselbewohner verhindern, dass erneut ein Flüchtlingslager aufgebaut wird. Der Brand solle zum Anlass genommen werden, das Lager "für immer" zu schließen, sagte der Lokalpolitiker Vaguelis Violatzis. "Wir wollen kein neues Lager und wir werden uns allen Bauarbeiten entgegenstellen." Nach fünf Jahren sollten nun andere "diese Last tragen".

Bereits im Februar hatte es tagelange Ausschreitungen gegeben, als ein neues Lager für das vollkommen überfüllte Moria errichtet werden sollte, in dem viele Flüchtlinge teilweise seit Jahren unter menschenunwürdigen Zuständen festsaßen.

Das Lager Moria war bei Bränden am Dienstag- und Mittwochabend zerstört worden. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) vom Freitag wurden 11.500 Menschen obdachlos, darunter 4000 Kinder.

Die griechische Regierung schickte Schiffe nach Lesbos, um vor allem Familien und besonders bedürftigen Menschen neue Schlafmöglichkeiten zu beschaffen. Viele Flüchtlinge harren aber weiter an der Straße von Moria zum Hafen aus und schlafen notdürftig zugedeckt im Freien.

Am Freitag brachten Transporthubschrauber der griechischen Armee hunderte Zelte nach Lesbos, wie AFP-Reporter berichteten. Auch das Polizeiaufgebot auf der Insel wurde massiv verstärkt. Die Polizei brachte am Freitagmorgen elf neue Fahrzeuge und zwei Wasserwerfer auf die Insel. Zwei Polizeifahrzeuge versperrten den Migranten den Weg zum Hafen.

Auch das Technische Hilfswerk (THW) liefert im Auftrag der Bundesregierung Zelte für Lesbos. Wie die ehrenamtliche Organisation mitteilte, startete am Freitag ein Konvoi mit Zelten, Feldbetten, Isomatten und Schlafsäcken an Bord. Das Material werde in Athen an die griechische Regierung übergeben.

by Von Marina RAFENBERG