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Mindestens 29 Tote bei schwerem Erdbeben in Haiti

Ministerpräsident Henry ruft einmonatigen Ausnahmezustand aus

Bei einem schweren Erdbeben im Südwesten Haitis sind nach Angaben der Regierung am Samstag mindestens 29 Menschen ums Leben gekommen. Behörden und Einwohner berichteten zudem von schweren Schäden an Wohnhäusern und Gebäuden. Regierungschef Ariel Henry rief den Notstand aus, die USA boten Soforthilfe an. Der bitterarme und politisch instabile Karibikstaat hat sich noch nicht von der Erdbebenkatastrophe im Jahr 2010 erholt.

Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS erschütterte der Erdstoß der Stärke 7,2 am Samstagmorgen (Ortszeit) das Land. Das Epizentrum lag demnach rund 160 Kilometer südwestlich der dicht besiedelten Hauptstadt Port-au-Prince. Die Erschütterungen waren im ganzen Land sowie in weiten Teilen der Karibik zu spüren. USGS gab zunächst eine Tsunami-Warnung aus, hob sie später aber wieder auf.

In der nur 12 Kilometer vom Epizentrum entfernten Küstenstadt Jérémie wurde das Zentrum von den Erdstößen schwer getroffen. Nach Angaben eines Anwohners stürzte das Dach der Kathedrale ein. Die Menschen seien völlig verängstigt und versuchten, die 200.000 Einwohner zählende Stadt zu verlassen.

In der Hafenstadt Cayes stürzte das mehrstöckige Hotel "Le Maguier" ein, seine Bewohner wurden unter Betonplatten eingeschlossen. Der Besitzer des Hotels, der ehemalige haitianische Senator Gabriel Fortuné, konnte nur noch tot geborgen werden.

Online-Videos von anderen Orten zeigten weitere zerstörte Gebäude, darunter eine Kirche, in der zum Zeitpunkt des Bebens offenbar gerade ein Gottesdienst abgehalten worden war. Andere Aufnahmen zeigten, wie Anwohner und Rettungskräfte verzweifelt versuchten, Verschüttete aus den Trümmern eingestürzter Gebäude zu bergen.

Regierungschef Henry ordnete einen einmonatigen Ausnahmezustand an. Er rief die Bevölkerung auf, nicht in Panik zu verfallen und sich mit den Opfern solidarisch zu zeigen. Henry kündigte an, in den kommenden Stunden die am schwersten betroffenen Orte zu besuchen und sich dort selbst ein Bild von der Lage zu verschaffen.

Die USA sagten Haiti sofortige Hilfe zu. Ein US-Regierungsbeamter erklärte, Präsident Joe Biden habe diese bereits genehmigt. Zur Koordinierung der Hilfen sei Usaid-Chefin Samantha Power berufen worden.

In Haiti wurden sofort Erinnerungen an das verheerende Erdbeben vom Januar 2010 wach. Das Beben der Stärke 7,0 hatte damals die Hauptstadt sowie mehrere Provinzstädte verwüstet. Mehr als 200.000 Menschen kamen ums Leben, über 300.000 weitere wurden verletzt. Rund 1,5 Millionen Menschen wurden obdachlos.

Der Schaden an Wohnhäusern und der öffentlichen Infrastruktur war verheerend. Der Wiederaufbau kommt bis heute nur stockend voran. Darüberhinaus wird das Land regelmäßig von Hurrikans heimgesucht.

Der Karibikstaat steckt derzeit auch in einer schweren politischen Krise. Vor gut einem Monat war Präsident Jovenel Moïse von einem Mordkommando in seinem Haus erschossen worden, die Ermittlungen zu seinem Tod gestalten sich schwierig. Erst am Freitag hatte der mit der Untersuchung des Präsidentenmordes betraute Ermittlungsrichter den Fall abgegeben.

by Reginald LOUISSAINT JR