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Merz pocht auf vollständige Aufklärung in Flugblattaffäre um Aiwanger

In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus der Schulzeit von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger reißen die Rufe nach Aufklärung und auch Rücktrittsforderungen nicht ab. CDU-Chef Friedrich Merz pochte am Donnerstag auf vollständige Aufklärung der Vorwürfe gegen den Freie-Wähler-Chef. Die SPD verlangte dessen sofortigen Rücktritt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) forderte von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) eine Entscheidung über eine weitere Zusammenarbeit mit Aiwanger. Die Opposition im bayerischen Landtag beantragte indes eine Sondersitzung.

"Das muss nun wirklich vollständig aufgeklärt werden", sagte Merz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Er hoffe, "dass diese Vorwürfe aus der Welt zu schaffen sind". "Was da aufgeschrieben worden ist – egal von wem – ist einfach nur widerwärtig", fügte Merz hinzu. Er hätte es nicht für möglich gehalten, dass 17- oder 18-jährige Schüler noch in den 80er Jahren so etwas verfassten.

Aiwanger stand laut "Süddeutscher Zeitung" in seiner Schulzeit in den 80er Jahren im Verdacht, ein antisemitisches Flugblatt verfasst und verteilt zu haben. Exemplare sollen in seinem Schulranzen gefunden worden sein. Der Parteichef der Freien Wähler erklärte am Wochenende, nicht dessen Urheber gewesen zu sein. Parallel übernahm sein Bruder dafür die Verantwortung.

Söder übergab Aiwanger bei einer Krisensitzung des Koalitionsausschusses von CSU und Freien Wählern am Dienstag einen Katalog von 25 Fragen zu dem Flugblatt, die dieser schriftlich beantworten soll. Zugleich hielt er vorerst weiter an seinem Vizeregierungschef fest und verwies auf die noch ausstehende abschließende Bewertung.

Habeck forderte Söder auf, zu entscheiden, "ob er Regierungschef einer staatstragenden in der Mitte stehenden Partei sein will, oder ob er jemanden im Kabinett haben will, der zum rechten Populismus hin offen ist". "Das ist eine Frage der politischen Haltung, nicht der politischen Taktik", sagte Habeck der "Augsburger Allgemeinen".

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef im Bundestag, Dirk Wiese, will Aiwangers sofortigen Rücktritt. "Das, was täglich Stück für Stück das Licht der Welt erblickt, ist eine Geisteshaltung, die nur noch eine Konsequenz haben kann - Rücktritt", sagte er der "Rheinischen Post" aus Düsseldorf. Bliebe der Chef der Freien Wähler noch länger im Amt, "wird das auch für Markus Söder mehr und mehr zum Problem".

Die Oppositionsparteien Grüne, SPD und FDP im bayerischen Landtag beantragten am Donnerstag eine Sondersitzung des Parlaments. "Hubert Aiwanger muss dem Landtag Rede und Antwort stehen", erklärte FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Nur so könnten sich Parlament und Öffentlichkeit ein faires Urteil über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bilden.

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann warf Söder vor, "auf Zeit" zu spielen. "Stand heute ist Hubert Aiwanger für mich untragbar geworden", erklärte er. SPD-Fraktionschef Florian von Brunn betonte, wer ein hohes Amt innehabe, müsse "über jeden Zweifel erhaben sein". Diese Zweifel habe Aiwanger nicht ausräumen können.

Der Landesvorstand der Freien Wähler in Bayern, der Vorstand der Landtagsfraktion und die Kabinettsmitglieder der Freien Wähler in dem Bundesland stellten sich "geschlossen" hinter Aiwanger. Aiwanger selbst wies Vorwürfe des Rechtsextremismus und Antisemitismus zurück. Er sei "kein Antisemit, kein Extremist", sagte er am Mittwoch am Rande eines Termins in Donauwörth. Für "die letzten Jahrzehnte" könne er diesbezüglich "alle Hände ins Feuer legen".

Nach Angaben des Landeskultusministerium gibt es offenbar keine Schulakten mehr, die über das damalige Geschehen Auskunft geben könnten. Laut dem betreffenden Gymnasium Mallersdorf-Pfaffendorf seien dort "keine Unterlagen zur Behandlung des Falls Aiwanger im Schuljahr 1987/88 vorhanden", teilte das Ministerium am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP mit. Auch an der Dienststelle des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Niederbayern lägen keine Unterlagen vor. Die Prüfung daure aber an.

Neue Äußerungen einer früheren Klassenkameradin Aiwangers gegenüber der "Süddeutschen Zeitung", wonach dieser öfter Adolf Hitlers Buch "Mein Kampf" in der Schultasche dabei gehabt haben soll, wies Aiwanger als "absurd" zurück. "Wer lässt sich solchen Unsinn einfallen!?", schrieb er im Onlinedienst X, ehemals Twitter.

In Bayern wird in fünfeinhalb Wochen ein neuer Landtag gewählt. Die CSU regiert derzeit gemeinsam mit den Freien Wählern. Söder will die Koalition nach eigenen Angaben trotz der Affäre fortsetzen. Zugleich deutete er am Dienstag an, dass dies auch ohne Aiwanger denkbar sei.

hex/cfm