Noch ist die geplante Bundes-Notbremse gegen das Coronavirus nicht in trockenen Tüchern. Denn sowohl die Bundesländer als auch zahlreiche Juristen äussern scharfe Kritik am Vorgehen der Bundeskanzlerin. Immer wieder weisen Juristen nun darauf hin, dass die von Kanzlerin Merkels geforderte Ausgangssperren offenbar “verfassungswidrig” sein könnten.
Noch immer steigen die Infektionszahlen des Coronavirus in Deutschland weiter an und noch immer strömen neue Patienten in die Krankenhäuser. Eigentlich wollte Kanzlerin Angela Merkel in dieser Woche endlich die bundeseinheitliche Notbremse zur Bekämpfung des Coronavirus durchsetzen. Doch stattdessen schlagen der Kanzlerin immer mehr Bedenken entgegen. Und dabei handelt es sich längst nicht mehr nur um die Landespolitiker, die sich dann Merkels Maßnahmen gegen das Coronavirus beugen müssten. Nun haben offenbar auch Juristen ein Auge auf die Maßnahmen geworfen, deren Durchsetzung die Kanzlerin mit der Abänderung des Infektionsschutzgesetzes erreichen will. Viele Juristen glauben nun sogar, dass einzelne Punkte der Maßnahmen “verfassungswidrig” sein könnten.
Selbst in der Koalition mit der SPD hat Merkel einen schweren Stand.
“Das Virus verzeiht keine Halbherzigkeiten, sie machen alles nur noch schwerer. Das Virus verzeiht kein Zögern, es dauert alles nur noch länger. Das Virus lässt nicht mit sich verhandeln, es versteht nur eine einzige Sprache, die Sprache der Entschlossenheit.”, hatte die Kanzlerin ihre geplanten Maßnahmen in einer Sitzung der Koalition verteidigt. Doch viele Politiker sind damit offenbar nicht einverstanden. Linken-Fraktionschef Diemar Bartsch (63) sprach in diesem Zusammenhang von einer “unverhältnismäßigen Maßnahme”. Aus der Reihe von Koalitionspartner SPD werden Ausnahmen bei der Ausgangssperre für Jogger und Spaziergänger gefordert. FDP-Chef Christian Lindner kündigte gleich nach der Sitzung eine Verfassungsbeschwerde gegen Merkels Pläne an. Auch der saarländische Regierungschef Tobias Hans (CDU) hatte Merkels Pläne als als zu unflexibel zurückgewiesen. Dessen hessischer Amtskollege Volker Bouffier (CDU) befürchte ebenfalls rechtliche Bedenken gegen die geplanten Ausgangsbeschränkungen.
Doch nicht nur von den Politikern bekommt die Kanzlerin Gegenwind. Jetzt schalten sich auch die Bundestags-Juristen in die Diskussion ein. Denn diese sehen die vorgeschlagene Ausgangssperre als “kritisch”. Ein Gutachten lässt starke Zweifel aufkommen, ob der Plan der Kanzlerin “einer abschließenden verfassungsgerichtlichen Prüfung standhielte”. Vor allem in Sachen Ausgangssperren sind sich die Experten nicht sicher “in welchem Maße die Ausgangssperre wirksam ist” und ob man mit anderen und weniger einschneidenden Maßnahmen nicht bessere Resultate erzielen können. Zudem sehen die Juristen auch kritisch, dass keine Unterscheidung zwischen geimpften und nicht-geimpften Personen gemacht werde. Viele Juristen vertreten außerdem die Ansicht, dass alleine der Inzidenzwert kein ausreichender Grund für eine Ausgangssperre darstelle. Deshalb forderten sie weitere Faktoren, damit die Entscheidung nicht zu leicht rechtlich angreifbar sei. Diesen Standpunkt soll offenbar auch das Gesundheitsministerium von Jens Spahn vertreten. “Tatsächlich wird der reale Schweregrad der Pandemie durch andere Parameter abgebildet”, hatte Spahns Ministerium schriftlich an den Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (69, FDP) geschrieben. Zudem haben in den letzten Tagen zahlreiche deutsche Top-Juristen die Pläne der Kanzlerin als “verfassungswidrig” bezeichnet. Man darf also gespannt sein, welche Entscheidungen die Politik in dieser Hinsicht in den nächsten Tagen fällen wird.