Im Brexit-Streit mit Großbritannien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auch die EU zu Kompromissen aufgerufen. Jede Seite habe "ihre roten Linien" in den Verhandlungen über ein Handelsabkommen, sagte Merkel nach dem ersten Tag des EU-Gipfels am Donnerstag in Brüssel. "Wir haben Großbritannien gebeten, im Sinne eines Abkommens auch weiter kompromissbereit zu sein. Das schließt natürlich ein, dass auch wir Kompromisse machen müssen."
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten zuvor in einer Erklärung von Großbritannien verlangt, "die notwendigen Schritte zu unternehmen, um ein Abkommen möglich zu machen". Die britische Regierung hatte darauf verärgert reagiert. Ihr Verhandlungsführer David Frost zeigte sich "enttäuscht" und erklärte, er sei überrascht, "dass alle künftigen Schritte von Großbritannien kommen müssen". Dies sei "eine ungewöhnliche Herangehensweise, um Verhandlungen zu führen".
Frost zufolge will sich Premierminister Boris Johnson am Freitag zu dem Gipfelergebnis äußern. Er ließ offen, ob die britische Seite zu weiteren Gesprächen bereit ist. Johnson hatte im September gedroht, den Verhandlungstisch zu verlassen, falls es bis 15. Oktober - also diesen Donnerstag - keinen Durchbruch gebe.
"Angesichts der globalen Situation" sei ein Abkommen "sinnvoll und gut für beide Seiten", sagte Merkel. Die EU wisse, "dass Großbritannien ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit haben möchte". "In diesem Geiste" hätten die Staats- und Regierungschefs ihren Verhandlungsführer Michel Barnier gebeten, "die Verhandlungen auch fortzusetzen".
by OLIVIER HOSLET