Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bürgerinnen und Bürger um Verständnis für die abermalige Verlängerung des Corona-Lockdown gebeten. Nach der Trendumkehr bei den Infektionszahlen dürften die Erfolge nun nicht durch Lockerungen verspielt werden, die den aggressiven neuen Virusmutationen die Ausbreitung erleichtern würden, sagte Merkel am Donnerstag im Bundestag. Die Opposition, aber auch Wirtschaft und Verbände kritisierten die Lockdown-Verlängerung.
Merkels Regierungserklärung hatte streckenweise den Charakter eines Durchhalteappells: "All die Anstrengungen und Entbehrungen jetzt nochmal bis zum 7. März durchzuhalten, das ist aus meiner Sicht die Anstrengung wert", sagte sie. "Wir sind nicht sehr weit von Zahlen entfernt, die uns Schritt für Schritt wieder Öffnungen und Freiheiten erlauben können."
In ihrer Rede ging die Kanzlerin auch auf den von Wirtschaft, Verbänden und vielen Bürgern geäußerten Wunsch nach einer längerfristigen Öffnungsperspektive ein - ein Wunsch, den die Spitzenrunde von Bund und Ländern in den Corona-Beschlüssen vom Vorabend nicht erfüllte. Konkrete Daten für die nächsten Öffnungsschritte könnten nicht genannt werden, denn: "Das Virus richtet sich nicht nach Daten", sagte Merkel.
Die nächsten Öffnungsschritte müssten an das Unterschreiten bestimmter Inzidenzwerte gebunden werden. "Ich glaube nicht, dass das Hin-und-Her, einmal öffnen, einmal wieder schließen, für die Menschen mehr Berechenbarkeit bringt als ein paar Tage länger zu warten", sagte sie. Die Beschränkungen würden aber "keinen Tag länger aufrecht erhalten als nötig".
Die Kanzlerin räumte in ihrer Rede auch Fehler der Politik ein. Im Herbst sei es zu einer zweiten Infektionswelle gekommen, "weil wir nicht früh genug und nicht konsequent genug das öffentliche Leben heruntergefahren haben". Zudem habe der Start der Impfkampagne "viele Menschen enttäuscht". Im Herbst hatte allerdings Merkel selbst auf ein härteres Vorgehen gedrängt.
Aber: Die Zahl der Infektionen sinke beständig, "die Trendumkehr ist da", sagte Merkel. Zudem markiere der Start der Impfkampagne einen "Wendepunkt in der Pandemie".
Vertreter der Opposition gingen mit der Regierung scharf ins Gericht. Sie beklagten Fehlentscheidungen und eine anhaltende Umgehung des Parlaments. FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich verärgert über die Verlängerung des Lockdown: "Viele Menschen haben sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt."
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte: "Für die Linke bleibt es inakzeptabel, dass wir im Bundestag wieder erst nach einer Ministerpräsidentenrunde diskutieren und nicht vorher."
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel wertete die von ihr beklagte Umgehung des Parlaments als Verfassungsbruch und als "dreiste Zurschaustellung von Macht". Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt mahnte langfristige Strategien bei der Pandemiebekämpfung an.
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) forderte, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen. Bund und Länder müssten ihre Zusammenarbeit für Katastrophenfälle verbessern - etwa in Form ständiger Krisenstäbe: "Diese Krise wäre eine vergeudete Krise, wenn wir nicht daraus lernen."
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte das Bundesfinanzministerium auf, Souveränitätsprogramme für die Impfstoffproduktion und -forschung in Deutschland aufzulegen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich lobte die Lockdown-Beschlüsse als "angemessen notwendig und gut begründet".
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vermisste in den Bund-Länder-Beschlüssen eine klare Perspektive für ein bundeseinheitliches Vorgehen in der Pandemiebekämpfung und der stufenweisen Öffnung der Wirtschaft.
Der Deutsche Landkreistag spricht sich dafür aus, möglichst bald die strengen Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu lockern, um die Akzeptanz bei der Bevölkerung zu erhalten.
Der Städte- und Gemeindebund kritisierte die uneinheitliche Linie bei den Schulöffnungen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warf dem Bund vor, "beim Thema Schulen und Kitas vor den Ländern kapituliert" zu haben. Den Ländern hier freie Hand zu geben, sei ein "Eigentor".
by Tobias SCHWARZ