Offenbar hat das heimtückische Coronavirus nun auch einen negativen Einfluss auf die Anzahl der Krebstoten. Denn ein bekannter Onkologe stellt fest, dass die Patienten in Zeiten der Corona-Pandemie nicht nur verspätet zu Behandlungen kommen, sondern auch eine regelrechte Angst vor Kliniken und Arztpraxen entwickelt haben.
Der Onkologe Dr. Alexander Herzog aus Nidda in Hessen schlägt nun öffentlich Alarm. “Krebspatienten werden wegen Corona vernachlässigt“, kritisiert der Facharzt und fügt hinzu: “Es ist für sie zunehmend schwierig, Termine für Untersuchungen oder Behandlungen zu bekommen.“ Bei seiner Aussage stützt sich Herzog auf die Daten von Studien, die während des 1. Lockdowns durchgeführt wurden. In dieser Zeit waren rund 20 % der Krebspatienten verspätet zur stationären Aufnahme oder der Behandlung erschienen. “Dabei zählt bei Krebs jede Stunde. Wenn 20 Prozent weniger Krebsbehandlungen stattfinden, muss davon ausgegangen werden, dass wir mit bis zu 20 Prozent mehr Krebstoten rechnen müssen.“ Da zuletzt in Deutschland jedes Jahr rund 230.000 Menschen an Krebs sterben, rechnet Herog mit einem deutlichen Anstieg dieser Zahlen. “Im schlimmsten Fall würden also hochgerechnet bei uns mehr als 40.000 Menschen zusätzlich sterben“, prognostiziert Dr. Alexander Herzog.
Eine Ansicht, die auch Prof. Michael Baumann (58), der Vorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums weitgehend teil. Baumann kann zwar noch keinen offiziellen Zahlen nennen, weil diese zum Teil erst mit einer Verzögerung von bis zu zwei Jahren komplett im Krebsregisters vorliegen. Trotzdem macht der Mediziner klar: “Eine britische Studie, die bereits vergangenen Juli erschien, hat allein für die ersten Monate der Pandemie kalkuliert, dass in Großbritannien mit mindestens 7000, im schlimmsten Fall bei anhaltenden Einschränkungen sogar mit bis zu 35.000 zusätzlichen Krebstodesfällen gerechnet werden muss“, erklärt Baumann, der ein ähnliches Ergebnis auch in Deutschland erwartet. Eines der Probleme sei laut Alexander Herzog auch, dass nicht nur planbar chirurgische Eingriffe verschoben werden, sondern die Konzentration auf Covid-19-Patienten zudem h einen negativen Einfluß auf Krebs- und Notfallbehandlungen hätten.
Um seinen Standpunkt zu belegen greift Herzog gerne auf konkrete Beispiele zurück. “Ein besonders krasses Beispiel ereignete sich letzte Woche bei einem meiner Patienten. Er erlitt aufgrund einer Gehirnmetastase einen schweren epileptischen Anfall, der sich durch Notfalltherapie nicht stoppen ließ. Der Notarztwagen kurvte zwei Stunden mit dem krampfenden Patienten durch Bremen auf der verzweifelten Suche nach einer Intensivstation. Schließlich aufgenommen wurde er auf einer Intensivstation, die mit Krebspatienten gar keine Erfahrungen hat. Andere Intensivbetten mussten offenbar für Covid-Patienten frei gehalten werden“, erzählt Herzog. Gleichzeitig habe sich in den Zeiten der Pandemie offenbar auch eine große Angst bei vielen älteren Menschen vor einem Arztbesuch entwickelt. “Sie haben Angst, sich zu infizieren, wenn sie Arztpraxen oder Kliniken betreten. Gerade ältere Menschen sind jedoch mehr durch Krebs gefährdet“, berichtet Herzog. Deshalb kämen viele Patienten erst viel zu spät mit ihren Beschwerden zu einem Arzt, was bei einer Krebserkrankung gar tödliche Konsequenzen haben könnte.