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Massive Ausschreitungen rund um Eritreafestival in Gießen

Bei massiven Ausschreitungen mit Steine- und Flaschenwürfen sind am Wochenende auf dem Eritreafestival in Gießen Dutzende Einsatzkräfte verletzt worden. Die Polizei war im Großeinsatz und nahm zahlreiche Menschen in Gewahrsam. Das Festival ist stark umstritten - Kritiker werfen den Veranstaltern Nähe zum eritreischen Regime vor. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) forderte die Einbestellung des eritreischen Botschafters.

Am Samstag war es den ganzen Tag immer wieder zu Randalen gekommen. Menschengruppen versuchten, Zäune oder Absperrungen zu durchbrechen, um zu der Veranstaltung in den Hessenhallen zu gelangen. Wie die Polizei mitteilte, flogen dabei Steine. Absperrzäune wurden umgerissen, Menschen hätten gegen Autos getreten oder diese mit Gegenständen beworfen.

Es habe Schlägereien gegeben, Rauchbomben seien gezündet worden. Der Verkehr wurde durch den Großeinsatz stark behindert. Die Polizei bat Autofahrer darum, das Stadtgebiet zu umfahren. Zwischen Samstagmittag und Sonntagfrüh wurde der Stadtbusverkehr eingestellt. Das Museumsfest wurde wegen der Lage vorzeitig beendet, wie die Stadt mitteilte.

Die Polizei sei mit Stein- und Flaschenwürden "massiv angegriffen" worden, erklärte diese. 26 Beamten seien verletzt worden. Die meisten von ihnen hätten ihren Dienst aber fortsetzen können. Teilweise wurden Schlagstöcke und Pfefferspray eingesetzt. Teilnehmer, Protestierende oder Passanten seien aber offenbar nicht verletzt worden, wie ein Polizeisprecher am Sonntag sagte. Bei den Rettungsdiensten gebe es keine Erkenntnisse über Schwerverletzte.

Insgesamt waren mehr als 1000 Polizisten im Einsatz. Sie leiteten etwa 100 Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung oder schweren Landfriedensbruchs ein und nahmen fast 100 Menschen in Gewahrsam, die zum Teil aus dem europäischen Ausland kamen. 

Auch am Sonntag waren Polizeibeamte aus Hessen, Baden-Württemberg und Sachsen sowie von der Bundespolizei im Einsatz. Bis zum Sonntagnachmittag blieb es aber ruhig, sagte der Sprecher. Er zeigte sich zufrieden damit, dass ein Aufeinandertreffen von Besuchern und Gegnern des Festivals verhindert werden konnte - "wenn auch leider zulasten der Verletzten".

Schon im vergangenen Jahr war es zu massiven Angriffen auf das Festival gekommen. Kritikern zufolge steht der Veranstalter, der Zentralrat der Eritreer in Deutschland, dem autoritären eritreischen Regime nahe. Regimegegner wenden sich gegen mutmaßliche Anhänger von Präsident Isaias Afwerki, der das abgeschottete Land im Nordosten von Afrika seit 1993 mit harter Hand regiert. Erst im März hatte die UNO wegen der "katastrophalen" Menschenrechtslage Alarm geschlagen.

Viele Menschen flüchten aus Eritrea, um beispielsweise dem langen Wehrdienst zu entgehen. Die Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch warf dem Land im Februar vor, für die Unterstützung der Regierungstruppen in der nordäthiopischen Region Tigray tausende Menschen, unter ihnen Minderjährige, zum verpflichtenden Militärdienst eingezogen zu haben. 

Nach Angaben des Auswärtigen Amts leben etwa 70.000 eritreische Staatsangehörige in Deutschland. Der Bundeszentrale für politische Bildung zufolge versucht die eritreische Regierung, mit einer Auslandsjugendabteilung junge Eritreer im Ausland zu beeinflussen und unter anderem bei Festivals Spenden zu sammeln.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Gewalt in Gießen "scharf" und dankte den Einsatzkräften. Hessens Innenminister Beuth forderte von der Bundesregierung, den Botschafter Eritreas einzubestellen. "Der Regierung muss deutlich gemacht werden, dass eritreische Konflikte nicht auf deutschem Boden ausgetragen werden dürfen", erklärte er.

Erst am Freitagmittag hatte der Verwaltungsgerichtshof in Kassel entschieden, dass das Festival stattfinden dürfe. Die Stadt hatte es zunächst verboten. Die Veranstalter wandten sich erfolgreich mit Eilanträgen vor dem Verwaltungsgericht dagegen, die Beschwerden der Stadt scheiterten schließlich vor dem Verwaltungsgerichtshof.

smb/cha