Frauenrechtsaktivisten haben mit Blick auf eine mögliche Entscheidung des Obersten Gerichts der USA zu Massendemonstration für das Recht auf Abtreibung aufgerufen. Ein Zusammenschluss von knapp 200 Organisationen veranstaltet am Samstag in über 600 Städten in allen Bundesstaaten Protestmärsche. Die US-Regierung geht ihrerseits gerichtlich gegen das sehr strenge neue Abtreibungsgesetz in Texas vor.
"Gemeinsam setzen wir uns für ein Land ein, in dem Abtreibung nicht nur legal, sondern auch zugänglich, erschwinglich und entstigmatisiert ist", erklärten die Organisatoren der Protestmärsche. Nach ihren Angaben werden bis zu 250.000 Teilnehmer erwartet. Die größte Demonstration soll in Washington vor dem Obersten Gericht stattfinden.
Die ersten dieser "Frauenmärsche" hatte es 2017 nach der Amtseinführung von Ex-Präsident Donald Trump gegeben. Millionen von Gegnern des Republikaners nahmen daran teil. Seitdem hatten ähnliche Veranstaltungen deutlich weniger Zulauf, auch wegen interner Streitigkeiten der Bewegung. Das umstrittene neue Abtreibungsgesetz in Texas heizte die Debatte nun erneut an.
Das strengste Abtreibungsgesetz der USA war Anfang September in Kraft getreten. Es verbietet Schwangerschaftsabbrüche ab dem Zeitpunkt, zu dem der Herzschlag des Fötus festgestellt werden kann. Das ist etwa ab der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall, wenn viele Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind. Selbst im Fall einer Vergewaltigung oder bei Inzest sieht das Gesetz keine Ausnahmen vor.
Für Empörung sorgt auch, dass nicht die texanischen Behörden die neuen Regelungen durchsetzen sollen, sondern Privatleute. Bürger werden ermutigt jene anzuschwärzen, die sie verdächtigen, Frauen bei einer unrechtmäßigen Abtreibung geholfen zu haben. Neben Abtreibungskliniken und deren Mitarbeiter könnte dies auch Verwandte oder einen Taxi-Fahrer treffen, der eine Schwangere zur Klinik bringt. Die Kläger erhalten im Falle einer Verurteilung 10.000 Dollar.
Die US-Regierung von Präsident Joe Biden kritisierte das Gesetz als verfassungswidrig, der Oberste Gerichtshof lehnte einen Eilantrag jedoch ab. Der Supreme Court führte dabei keine inhaltlichen, sondern prozedurale Gründe an. Die Entscheidung des konservativ dominierten Gerichts fiel mit einer knappen Mehrheit von fünf der neun Verfassungsrichter.
Die höchsten Richter werden sich voraussichtlich am Montag erneut mit dem Thema befassen. Der Supreme Court hatte 1973 in seinem Grundsatzurteil "Roe v. Wade" das Recht von Frauen auf eine Abtreibung verankert. Abtreibungsgegner hoffen, dass dieses Urteil gekippt werden könnte, nachdem Präsident Trump in seiner Amtszeit drei neue Verfassungsrichter ernannt und das Gericht damit weiter nach rechts gerückt hatte.
Auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene haben seitdem konservative Politiker in bisher 19 Bundesstaaten Verschärfungen der Abtreibungsgesetze angestrengt. Sollte der Oberste Gerichtshof das 1973-Urteil aufheben, könnten einzelne Bundesstaaten Abtreibungen gänzlich verbieten.
Die Organisatoren der Frauenmärsche fordern, dass der US-Kongress das Recht auf Abtreibung auf Bundesebene gesetzlich festschreibt, um dies zu verhindern. Das von den Demokraten dominierte Abgeordnetenhaus hatte vergangene Woche ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Eine Annahme in der zweiten Kongresskammer, im Senat, ist jedoch aussichtslos, da die konservativen Republikaner dort über genügend Stimmen verfügen, um das Gesetz zu blockieren.
Die US-Regierung forderte vor Gericht einen raschen Stopp des texanischen Abtreibungsgesetzes. Das umstrittene Gesetz stelle "eine offene Bedrohung für den Rechtsstaat" dar, sagte der Vertreter des Justizministeriums, Brian Netter, Gerichtsverhandlungen in Austin am Freitag. Präsident Biden hatte angekündigt, "die ganze Macht der Bundesregierung" einzusetzen, um gegen das Gesetz vorzugehen.
by Mandel Ngan