Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat wegen der anhaltenden Unruhen in seinem Land nach dem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen vorzeitig den EU-Gipfel in Brüssel verlassen. Er wolle um 13.00 an einer Krisensitzung teilnehmen, hieß es am Freitag im Elysée. Die bisher getroffenen Sicherheitsmaßnahmen sollten "ohne Tabu" geprüft werden.
Premierministerin Elisabeth Borne schloss nicht aus, dass zur Beruhigung der Lage in Frankreich der Notstand ausgerufen werden könne. Mehrere Politiker hatten dies angesichts der seit drei Nächten anhaltenden Unruhen gefordert. Macron vermied in Brüssel jede Äußerung vor Journalisten. Borne sprach am Freitag von "unerträglichen und unentschuldbaren" Ausschreitungen.
Am Dienstag war der 17 Jahre alte Nahel M. auf dem Fahrersitz eines Autos bei einer Verkehrskontrolle in der Pariser Vorstadt Nanterre erschossen worden. In einem Video war zu sehen, wie der Polizist mit seiner Waffe auf den Fahrer zielt und aus nächster Nähe schießt, als das Auto plötzlich beschleunigt.
In der Nacht zum Freitag wurden nach Angaben der Behörden 249 Sicherheitskräfte verletzt, es gab 667 Festnahmen. In mehreren Orten wurden Polizeiwachen, Rathäuser und Schulen angegriffen. Im Zentrum von Paris wurden mehrere Geschäfte geplündert. Mehrere Städte hatten eine abendliche Ausgangssperre verhängt, darunter Clamart und Compiègne.
Gegen den Polizisten wird wegen vorsätzlicher Tötung ermittelt. Er befindet sich in Untersuchungshaft. Die Ereignisse wecken bei vielen Franzosen Erinnerungen an die wochenlangen Unruhen von 2005, die durch den Tod zweier Jugendlicher ausgelöst worden waren, die sich vor der Polizei in einem Trafohäuschen versteckt hatten.
kol/ju